Der 50-50 Killer
hier einen Kontext zu den Tagesereignissen gab, in den ich nicht eingeweiht war.
»Aber wir haben die typischen Merkmale«, sagte Mercer. »Wir haben einen weißen Lieferwagen am Tatort. Wir haben das Spiel. Wir haben Folter. Und egal, wie es anfangs ausgesehen hat, wir haben ein zweites Opfer.«
»Ich sage ja nicht, dass es keine zwingenden Ähnlichkeiten gibt.«
»Sondern?«
Greg seufzte, und ich war etwas überrascht von dem, was mir wie offene Rebellion vorkam. Mercer hatte hier die Leitung, und ich hätte erwartet, dass Greg einfach tun würde, was ihm befohlen wurde. Er war offenbar nicht sicher, ob er weitersprechen sollte, doch nach einem Augenblick beschloss er: Scheiß drauf.
»Ich sage nur, dass weiße Lieferwagen schließlich sehr häufig sind. Mädchen sind sehr häufig. Das typische Merkmal ist zwingend, wie gesagt, und, ja, ein Spiel wird erwähnt. Aber sonst ist der Fall ganz anders.« Er zählte an den Fingern auf: »Der Mörder hat ihn in der Badewanne festgehalten. Das Mädchen ist gestern Nachmittag von dort weggegangen und hat an dem Spiel nicht aktiv teilgenommen …« Dann fiel ihm nichts mehr ein, und er lehnte sich zurück.
»Es ist einfach ganz anders.«
»Natürlich ist es anders. Es ist zwei Jahre her.«
»Ich weiß, dass es zwei Jahre her ist.«
»Na ja, er hat inzwischen Pläne geschmiedet. Es sollte uns nicht überraschen – sollte dich nicht überraschen –, dass er sich geändert hat. Es ist unsere Aufgabe, zu ergründen, warum und wie er sich verändert hat.«
Greg sah trotzig aus, so als wolle er weitere Einwände erheben, könne es aber nicht. Ich bemerkte, dass Pete ihn aufmerksam beobachtete. Doch Mercer ließ Greg nicht so einfach davonkommen.
»Also?«
Greg sah zu ihm auf. Mein Erstaunen wurde noch stärker. Sein Gesichtsausdruck wies unmissverständlich auf etwas ganz Bestimmtes hin. Ich wusste nicht, was es war oder was dahintersteckte, aber ich wusste, es war nichts Gutes.
»Vielleicht ist das Problem gar nicht, dass ich nicht überzeugt bin«, sagte er. »Aber an der ganzen Sache ist wohl irgendetwas, das mich beunruhigt, Sir.«
Sie sahen sich einen Moment an, und ich spürte, wie die Stimmung im Büro sich zu etwas Verkrampftem, Scharfem verhärtete. Niemand sagte etwas, und ich fand, es könnte der passende Zeitpunkt und möglicherweise sogar hilfreich sein, sich einzumischen. Behutsam.
»Darf ich nur fragen …«
»Ja. Natürlich.« Mercer wandte sich mir mit versteinertem Gesicht zu. »Die Situation ist folgende: Ich glaube, dass dieser Mörder mit einem früheren Fall in Verbindung steht. Es gibt eine große Anzahl von Ähnlichkeiten, von denen viele überzeugend sind. Andererseits hat Greg durchaus recht, darauf hinzuweisen, dass es auch ein paar kleine Unterschiede gibt. Ich glaube, der besagte Mörder hat seine Vorgehensweise ein wenig geändert.«
»Schön«, sagte ich. »Also …«
»Also werden Sie, sobald die Besprechung vorbei ist, die Möglichkeit haben, die Akte zu lesen. Dann können Sie sich über alle Details aufs Laufende bringen.«
»Okay.«
Ich fühlte mich hier drin lächerlich ungemütlich. Zumindest hatte Greg jetzt aufgehört, Mercer unverwandt anzusehen, doch obwohl er inzwischen seine Aufmerksamkeit auf den Fußboden richtete, war sein Gesichtsausdruck noch derselbe. Ich konnte förmlich spüren, wie der Teppich unter seinem Blick schmolz.
»Pete?«, sagte Mercer. »Simon? Habt ihr noch was dazu zu sagen?«
Er schien sich hauptsächlich an seinen Stellvertreter Pete zu wenden, der sich jedoch nicht über die Aufmerksamkeit freute und offensichtlich keine der beiden Seiten unterstützen wollte.
Was blieb hier ungesagt?
Durch Simon wurde allen weitere Verlegenheit erspart.
»Wie auch immer, wir machen doch genauso weiter, oder?« Er sprach schnell und sachlich. »Wir gehen dieser Sache mit dem Lieferwagen nach, dem Mädchen. Es spielt also keine Rolle, oder? Und wir können einfach sehen, was für weitere Spuren sich noch ergeben.« Er hielt inne, und sein nächster Satz erschien mir dann ziemlich bedeutungsschwer. »Also, entscheidet euch.«
Pete nickte, sagte nichts.
Greg zuckte mit den Schultern, er war zufrieden, tat aber jetzt so, als interessiere ihn das alles nicht.
»Das meine ich auch«, sagte Mercer. »So werden wir vorgehen. Mark wird heute Nachmittag die Akte lesen. Wir anderen teilen unter uns auf, was getan werden muss.«
Ich würde also aufholen und mir Durchblick verschaffen können. Das ging in
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