Der 7. Rabe (German Edition)
unter seinem Mantel zu verbergen. Unter lautem Gekrächze rauschten die Vögel über sie hinweg. Was wollten scharenweise Raben auf einmal mitten in der Nacht so weit entfernt von Zwanzig Türme? Es schien, als suchten sie etwas … oder jemanden. Doch woher sollten sie wissen, dass er mit Raj weggelaufen war?
Er spürte eine Regung unter sich. Raj erwachte. Hastig zog Farres ihn an sich und hielt ihm den Mund zu. Wenn die Raben sie entdeckten, wäre alles umsonst gewesen!
Er wurde ganz starr, als sich die Hand auf seinen Mund presste. Eigentlich war er aufgewacht, weil ihm die bisherige Wärme fehlte. Und nun … Plötzlich vernahm er das sich entfernende Krächzen. Raben! Sie riefen nach ihm. Kein Wunder, dass Farres ihn zum Schweigen brachte. Erst als nichts mehr zu hören war, ließ der Wolf ihn los und richtete sich auf.
„Wir müssen weg hier. Wenn die Raben fliegen, weiß das Rudel erst recht Bescheid.“
Mit diesen rätselhaften Worten konnte Raj nichts anfangen und ehe er fragen konnte, flog ihm ein Mantel entgegen.
„Zieh dir das über und komm!“
„Ja, bitte, gern geschehen“, brummte er verärgert.
„Was?“ Verwirrt schaute ihn Farres an.
„Ich habe gegen einen Fuchs kämpfen müssen, um dir anschließend Wärme zu spenden. Du könntest wenigstens mal Danke sagen.“
Farres schnaufte. „Ich habe dich genauso gewärmt, an meiner Brust getragen und dich gefüttert. Du hast dich mit Schnabelhieben bedankt.“
„Warum sind wir überhaupt hier? Und wie bist du auf die wahnsinnige Idee gekommen, mich in diesen Eimer zu stecken? Oder mir die Federn mit Kernseife zu waschen? Wenn du mich umbringen wolltest, dann hättest du das einfacher haben können, als mich bei dieser irrwitzigen Flussüberquerung ertränken zu wollen.“ Raj wurde immer lauter.
„Werde nicht pampig. Ich bin immer noch dein Herr.“ Farres funkelte ihn wütend an.
„Gar nichts bist du“, zischte Raj. „Ich hätte dich bequem töten können, als du bewusstlos im Gras gelegen hast.“
„Und ich hätte dir bereits zehnmal den Kopf abreißen können.“
Einen Moment lang starrten sie einander an. Dann schlüpfte Raj hastig in den Mantel. Ihm war weiterhin kalt. Farres schien das aufzufallen.
„In dem Beutel habe ich noch Kleidung für dich. Geh und zieh sie dir an. Ich muss dringend pissen und komme gleich nach.“
Raj nickte nach einem kurzen Zögern und lief schon los, als ihn Farres Ruf aufhielt:
„War da wirklich ein Fuchs?“
Er nickte knapp.
„Bist du verletzt?“
„Ja, bin ich“, grollte er.
„Hat er dich gebissen, Hühnchen?“
„Der einzige, der mich gebissen hat, warst du.“
Farres seufzte. „Bleib friedlich, Raj. Ich will doch bloß wissen, ob du in der Lage bist, eine kleine Wanderung zu unternehmen.“
Eine Wanderung? Hatte dieser Wolf völlig den Verstand verloren?
„Ich will mich hinlegen und die nächsten hundert Jahre schlafen.“
„Ein guter Gedanke. Dann findet dich Farouche viel schneller.“
Der Name wirkte wie ein kalter Guss und davon hatte er in den letzten Tagen genug gehabt.
„Farouche?“, fragte er unsicher. Er hörte ein leises Plätschern. Offenbar erleichterte sich Farres gerade, der hinter einen Strauch getreten war.
„Glaubst du, ich hätte dich in den Scheißeeimer gesteckt, wenn Farouche einverstanden gewesen wäre, dass ich mit dir fortgehe?“ Farres kam hinter den Strauch hervor und schnürte soeben sein Hemd zu. Um sich die Hose anziehen zu können, musste er sich setzen. Dabei gewährte er Raj einen Blick auf seinen kranken Fuß. Die Verletzung, die das Fangeisen hinterlassen hatte, war furchtbar anzusehen. Die Wunde war schlecht verheilt und nässte an einigen Stellen. Dennoch vermochte Farres zu laufen. Wie er das bewerkstelligte, war Raj ein Rätsel.
„Farres, ich … ich … äh, ich meine …“
Der Wolf schaute fragend auf.
„Raben stellen keine Fangeisen auf. Das wollte ich sagen. Und … und dass mir das mit deinem Fuß wirklich leid tut.“ Verlegen senkte er den Blick. Er empfand tatsächlich Mitleid mit dem jungen Mann. Immerhin spürte er gerade am eigenen Leib, wie es war, in seinen Bewegungen eingeschränkt zu sein.
„Ich weiß nicht, was ich glauben soll, Raj. Wer sonst sollte diese Fallen aufgestellt haben?“
„Das kann ich dir auch nicht sagen“, murmelte Raj unglücklich. Farres sprang auf und humpelte an seine Seite.
„Du ziehst dich erst einmal an und isst etwas, während ich mir deinen Arm ansehe. Und dann
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