Der 7. Rabe (German Edition)
Wozu?“
„Vielleicht kann ich dir helfen, aber dazu muss ich einen Tee aufbrühen.“
Farres zögerte sichtlich. Auch ein niedriges Feuer bedeutete Rauch, den man weithin riechen konnte. Andererseits bedeutete seine eiternde Wunde eine Fährte, die den Wölfen gleichfalls den Weg wies.
„Einverstanden“, meinte er schließlich. „Dort unter den Bäumen sieht es trocken genug aus. Danach sollten wir noch ein Stück weitergehen. Der Regen ist unser bester Verbündeter.“
Ein wenig misstrauisch schaute Farres zu, wie der Kleine mit einem Stück Stoff, das er in den heißen Tee getunkt hatte, auf den Wunden herumtupfte. Es schmerzte, aber anschließend sah es tatsächlich etwas besser aus. Sie mussten gemeinsam arbeiten, um eine Kompresse anzulegen und das Ganze zu verbinden, da Raj nach wie vor nur eine Hand zur Verfügung hatte.
Als sie fertig waren, wollte Raj den Rest des Suds wegschütten, da sie kein Gefäß hatten, um ihn mitzunehmen und bloß dieses eine kleine Kochgefäß; doch Farres hielt ihn auf.
„Vielleicht ist das auch für deine Stichwunden nützlich“, meinte er. Bevor der Kleine protestieren konnte, hatte Farres ihn bereits dazu gebracht, sich umzudrehen und ihm das Hemd über den Kopf gezogen. Es war eines von seinen eigenen und darum weit genug, dass Raj es über seiner Armschlinge tragen konnte. Hose und Stiefel hatte er aus den Truhen des Kleidervorrats genommen und sich dabei an der Größe von zwölf- bis vierzehnjährigen Jungen orientiert. Sie passten Raj wie angegossen, was wichtig war. Auf der Flucht konnten blasige Füße oder das Stolpern über zu langen Hosen gefährlich werden.
Die Wunden am Rücken waren nicht entzündet, heilten allerdings langsam. Farres verteilte den Sud darauf. Um ebenfalls eine Kompresse anzulegen, war nicht genug Verbandsmaterial da, darum musste das genügen. Eigentlich müssten sie sich jetzt auf den Weg machen, noch mindestens eine halbe Stunde Abstand zu der Feuerstelle gewinnen, die sie sofort mit reichlich Wasser überschüttet hatten, sobald der Tee fertig gewesen war. Doch irgendwie fehlte ihm die Lust, von Rajs nackter Haut abzulassen. Wie in Trance strich er mit dem Tuch über die zahllosen Abschürfungen und Prellungen, die das Hühnchen erlitten hatte. Es war ein seltsam sinnlicher Anblick, wie Raj mit geschlossenen Augen den Kopf zurückbog, um Farres Zugang zu seinem von der Eisenschelle wund gescheuertem Hals zu geben. Er wehrte sich nicht, verweigerte nichts, zeigte kein Anzeichen, dass ihm die Berührung unangenehm war. Fast ein Wunder nach der Brutalität der Markierung. Wie gerne würde Farres das gut machen. Ihn verwöhnen, erforschen, sanft erregen, bis er sich stöhnend unter ihm wand und darum bettelte, genommen zu werden …
Unwillig riss Farres sich los und half ihm schnell, das Hemd wieder überzustreifen.
Sich von solchen Gedanken davontragen zu lassen war der sicherste Weg in den Untergang.
Raj versuchte aufzustehen, aber seine Beine knickten weg, Farres konnte ihn gerade noch auffangen.
„Verwandel dich“, befahl er streng. „Ich trage dich das letzte Stück und suche uns eine gute Stelle zum Lagern.“
Dass der Kleine nicht protestierte, sondern sich unter offenkundigen Schmerzen zum Raben wandelte, sagte viel über seinen Zustand aus. Farres hob den Vogel auf und humpelte los, nachdem er noch rasch zwei von den Heilpflanzen gepflückt hatte. Das Zeug mochte wirken, ein Wundermittel war es nicht und musste darum Zeit haben, seinen Dienst zu tun.
Sein Rabe hielt sich ruhig und schlief nach einer Weile sogar in seinen Armen ein. Hatte er wirklich so viel Vertrauen?
Raj hörte nicht auf, ihn zu verblüffen. Dieser Mann war vielleicht klein, doch beneidenswert stark.
Als Farres sich eine Weile später zum Wolf wandelte und den inzwischen wieder erwachten Raben schützend zwischen seine Pfoten nahm, um endlich ausruhen zu dürfen, überraschte er sich selbst, indem er behutsam über dessen Kopf leckte. Es war nicht zu leugnen, er mochte Raj viel zu gern. Hoffentlich nahm der ihm das nicht allzu übel …
Also bitte! War er ein Knochen, dass sich Farres Appetit holen musste, indem er über ihn hinwegleckte? Trotzdem genoss er diese sanfte Berührung irgendwie. Genau wie die vorsichtige Wundversorgung. Sie war ihm beinahe wie ein Streicheln vorgekommen. Sicherlich war er bloß nach diesen Tagen voller Drangsal und Schmerz empfänglich für jede Art der Zuwendung. Er plusterte sich zwischen den Wolfspfoten auf
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