Der 7. Rabe (German Edition)
denkst du.“ Ephrim setzte sich und kratzte sich mit einem Hinterlauf hinter dem Ohr. „Die alte Saatkrähe, wie du ihn immer nennst, hat meiner Meinung nach einen viel zu wachen Verstand. Rajadas nutzt Gelegenheiten, wenn sie ihm begegnen. Denk nur an die Wolfseisen.“
Unschlüssig schaute Farouche über das Moor. Es reizte ihn, seinen Bruder zu stellen und herauszufinden, ob Farres ein Verräter war oder nicht. Was hatte sein Bruder bloß vor? Und warum konnte er es ihm nicht einfach sagen? Andererseits hatte Ephrim Recht, wenn er die Schutzlosigkeit der Canisfeste erwähnte. Der Ältere schob sich an seine Seite.
„Lass mich weiter nach Farres suchen. Ich bin ein erfahrener Wolf, meine Nase funktioniert tadellos und auf ihre Schärfe ist Verlass. Kehr du um und überlasse diese Sache hier mir. Wenn ich Farres gefunden habe, bringe ich ihn dir in die Feste und du kannst dort in aller Ruhe mit ihm reden. Gleichzeitig nimmst du Rajadas die Chance, dich im Genick zu packen und die Feste hinter deinem Rücken einzunehmen.“
Es gefiel ihm nicht, diese Angelegenheit Ephrim zu überlassen. Obwohl der ältere Wolf mit seinem diplomatischen Geschickt Farres gewiss überreden konnte, in die Canisfeste zurückzukehren. Hrrrrr! Er war nur so neugierig auf die Erklärung, die Farres ihm schuldig war. Farouche schaute sich nach dem Rest seines Gefolges um. Viele der Wölfe hatten sich auf den Boden geworfen, um die kurze Pause zum Erholen zu nutzen. Einige hechelten wie die Verrückten. Farouche konnte es ihnen nicht einmal übel nehmen. Er hatte sie alle ziemlich angetrieben, in der Hoffnung Farres einzuholen. Doch sein Bruder war ihm trotz des verletzten und flügellahmen Hühnchens stets um eine Schwanzlänge voraus.
„Also gut.“
Ephrim hob den Kopf, als ihm bewusst wurde, dass Farouche ihm zustimmte.
„Ich kehre zur Canisfeste zurück und du kümmerst dich um Farres. Ich zähle auf dich, dass du ihn zu mir bringst.“
„Ein Kinderspiel.“ Ephrim gab sich selbstsicher. „Farres vertraut mir und er mag mich. Manchmal denke ich, er sieht in mir einen Vater. Und für mich ist er beinahe so etwas wie ein Sohn. Er ist ein guter Junge, Farouche, und er hatte gewiss einen triftigen Grund, um sich heimlich davonzustehlen.“
„Das will ich hoffen“, knurrte Farouche und scheuchte die übrigen Wölfe auf: „Hoch mit euch faulem Gesockse. Es geht heim. Bewegt eure trägen Ärsche.“ Kurz nickte er Ephrim zu und lief widerwillig mit dem Rest des Rudels heim.
~*~
„Au!“
„Stell dich nicht so an. Es muss doch langsam heilen.“
„Das müsste dein Fuß auch. Farres, es ist kein wirklicher Spaß in einem Beutel auf deinem Rücken festzustecken und stundenlang durchgeschüttelt zu werden. Die Verwandlungen machen es nicht besser. Weißt du eigentlich, wie anstrengend es ist, aus festen Knochen leichte Hohlknochen zu formen? Farres! Hörst du mir überhaupt zu?“
„Da ist etwas!“ Farres starrte auf das Moor hinaus.
„Wo?“ Hastig reckte Raj den Hals, um etwas sehen zu können.
„Dort!“ Farres‘ Finger deutete in eine Richtung. Alles, was Raj entdecken konnte, war ein kleines blaues Licht, das gleich darauf erlosch und an einer anderen Stelle wieder auftauchte.
„Siehst du das auch?“
„Das sind Irrlichter“, erklärte Raj nun wieder beruhigt. „Völlig ungefährlich.“
„Bist du sicher, dass dort niemand ist? Vielleicht suchen sie uns mit Laternen.“
Raj schnaufte. „Meine Raben bestimmt nicht. Und seit wann brauchen Wölfe nachts ein Licht? Weil sie ohne nicht einschlafen können?“
Ein scharfer Blick traf ihn. „Werde nicht frech.“
„Das sind nur Irrlichter, Farres. Sumpflichter oder auch Narrenfeuer. Da entzünden sich irgendwelche Faulgase.“
„Woher weißt du das?“
„Das habe ich in der Hohen Akademie gelesen.“ Der bewundernde Blick von Farres tat ihm gut. „Viele Wanderer sind bereits auf diese Lichter hereingefallen und haben sie für andere Reisende oder den Schein eines fernen Gasthauses gehalten. Sie sind ihnen gefolgt und in ihr Verderben gerannt. Im Moor haben sie sich verlaufen und sind jämmerlich ertrunken. Es gibt jedoch auch Leute, die behaupten, dass die Irrlichter in Wirklichkeit die Seelen dieser irregeführten Personen sind.“
„Und woran glaubst du?“, fragte Farres, sichtlich beeindruckt von seinem Wissen.
„An brennende Fäulnisgase. Gespenster und Monster gibt es nur im Kleiderschrank und unter dem Bett. Und da hier im Moor keine
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