Der 7. Rabe (German Edition)
seinen Racheakten berüchtigt gewesen.
„Alle diese Legenden enden tragisch, nicht wahr?“ Nantir entblößte nadelspitze Fangzähne, als er grinste. Schlangenwandler waren diejenigen, die sich am weitesten von allem menschlichem entfernten, doch das bedeutete nicht, dass sie bösartig waren. Im Gegenteil, sie hielten sich zumeist neutral aus allen Streitigkeiten und Kriegszügen unter den anderen Wandlern heraus und fügten niemandem ein Leid zu, der nicht zuerst angegriffen hatte. Wobei Leid ein dehnbarer Begriff war, bedachte man, wie Nantir ihm an der Akademie zugesetzt hatte … Es hieß außerdem, dass sie begnadete Heiler waren und sehr gastfreundlich, sofern man es schaffte, ihr Vertrauen zu gewinnen.
„Etwas an seiner Witterung ist seltsam“, murmelte eine der Frauen mit Blick auf Raj. Nantirs Hand schoss so schnell vor, dass Raj nicht einmal Zeit zum Zusammenfahren blieb und riss ihn zu sich heran. Drei andere Schlangen packten Farres und hielten ihn eisern fest.
„Verwandle dich, Wölfchen, und dein kleiner Liebling stirbt!“, wurde ihm beschieden. Vielleicht war das mit dem Tu mir nichts, dann tu ich dir nichts -Grundsatz der Schlangenwandler auch lediglich ein Gerücht?
Nicht wehren, bloß nicht wehren!, beschwor sich Raj mit aller Macht.
„Hey, Pfoten weg!“, brüllte er einen Moment später empört, da Nantir ihm mit einem Ruck das Hemd über den Kopf zerrte. Er ging dabei derart rabiat vor, dass Raj den Schmerzensschrei nicht unterdrücken konnte.
„Na, man könnte meinen, es hat schon tragisch geendet.“ Nantirs Stimme klang deutlich weniger spöttisch, während er Rajs blau geschlagenen, verletzten Oberkörper inspizierte.
„Hat man euch beide verstoßen?“
„Nein.“ Raj kämpfte weiter gegen die Hände an, die ihn umklammert hielten. Das war dumm, er wusste es, schon an der Akademie hatte ihm das oft mehr Schmerz als notwendig eingebracht. Unterlassen konnte er es dennoch nicht.
„Dieses Bissmal …“, zischte einer der Männer. „Hast du ihn markiert, Wolf? Ist er dein Sklave?“
„Wenn ihr nicht gleich eure dreckigen Finger von ihm lasst, werdet ihr es nie herausfinden“, knurrte Farres bedrohlich zurück.
Nantir stellte tatsächlich seine Erkundungen der Stichwunden und Blutergüsse ein und hielt Raj nur noch an einem Handgelenk fest.
„Also?“, wiederholte der fremde Schlangenwandler geduldig.
„Ja. Ich habe ihn markiert. Nein, er ist nicht mein Sklave. Und auch nicht mein Geliebter. Die zugehörige Geschichte ist zu lang, um sie hier zum Besten zu geben.“
Raj sah noch, wie die Schlangenwandler einander zunickten. Dann wurde sein Arm emporgerissen, nadelspitze Zähne gruben sich in seine Hand. Das kannte er bereits. In menschlicher Gestalt war das Gift der Schlangen nicht tödlich, dafür wirkte es als sehr rasches Betäubungsmittel. Man ließ ihn los, er taumelte zu Farres hinüber, der schwankend auf den Knien lag. Bevor er ihn erreichen konnte, brach er zusammen. Er wurde aufgefangen, das spürte er noch. Danach wurde es dunkel.
~*~
Farres beobachtete düster, wie diese Schlangen an Rajs Körper herumfuhrwerkten. Erst hatten sie eine seltsame Flüssigkeit in die Stichwunden geträufelt, sich dann mit unglaublicher Geduld und Geschick daran gemacht, die Muskelschichten zu vernähen, obwohl das normalerweise bei Verletzungen, die schon so lange offen gewesen war, verboten wurde.
„Unser Serum reinigt das Gewebe, es besteht keine Gefahr. Wir wissen, was wir tun“, war die arrogante Antwort auf seine Frage gewesen. Ganz sicher war Farres sich da nicht, als man sowohl Raj als auch ihn in ein heißes Moorbad steckte. Dreck in offenen Wunden, das konnte nicht gut sein!
Auch ihn hatte man versorgt. Noch während er betäubt gewesen war, hatten diese kaltblütigen Schuppenhäuter ihm den Stumpf aufgeschnitten und neu vernäht. Deutlich besser als vorher, er gab es ja zu. Wenn auch widerwillig. Aller Eiter war abgetragen und verdammt, als sie endlich von ihm abließen, war er zum ersten Mal seit dem Tag, an dem er in die Falle getreten war, vollständig schmerzfrei.
Warum man sich überhaupt um sie bemühte, war Farres noch ein Rätsel. Er hatte alles erzählt, was es zu erzählen gab, restlos alles. Nur den Grad seiner Verliebtheit hatte er verschwiegen. Darüber war er sich selbst noch nicht im Klaren und es ging die Schlangen nichts an.
Vermutlich interpretierten sie längst schon zu viel in das, was sie gesehen hatten hinein, denn sie legten
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