Der 8. Februar (German Edition)
deutsch „Guten Tag.“ Ruth hatte sich schon versteckt, Ursula und ich suchten hinter Mama Schutz und machten keine Bewegung. Der Offizier sprach etwas deutsch und fing an, sich mit Mama zu unterhalten, vielleicht wollte er seine Sprachkenntnisse testen. Es hörte sich so an, als ob er die Sprache schon vor dem Krieg verstanden hätte. In diesem Moment hörte ich ein Knarren auf der Treppe und erschrak. War das Ruth gewesen? Sie wird doch nicht hereinkommen wollen? Ich fasste all meinen Mut zusammen und ging zur Tür, nur darauf wartend, zurückgerufen zu werden. Aber der Offizier kümmerte sich nicht um mich, und ich ging nach draußen. Ich drehte mich kurz um, stellte fest, dass ich nicht verfolgt wurde und ging leise zu einem der beiden Verstecke. Ruth war nicht da, ich hatte Angst um meine große Schwester. Jetzt kommt nur noch das andere Versteck im Schlafzimmer in Frage, dachte ich und schlich los. Leise die Tür öffnend ging ich ins Wohnzimmer und merkte sofort, dass die Tür zum Schlafzimmer offenstand. Ich erschrak fürchterlich, weil ein grausig aussehender Soldat, Tartar oder Mongole, seine Maschinenpistole im Anschlag hatte und auf Ruth zielte. Er schrie sie an und bedeutete ihr, sie solle herauskommen und sich aufs Bett legen. Hier konnte ich nichts ausrichten und sofort rannte ich in die Küche zurück, so schnell ich konnte, und holte Mama. Der Offizier kam sofort mit und verjagte den anderen Soldaten, so dass Schlimmeres verhindert wurde. Ich hatte immer noch Angst. Wollte er Ruth vielleicht für sich haben? Er verließ dann aber auch das Zimmer und die Gefahr war vorerst gebannt.
Ruths Versteck befand sich hinter dem Sofa. Als alles vorüber war, erzählte sie uns, wie sie gefunden worden war. Der alte Krause hatte ein paar leere Weinflaschen dort abgestellt und als der Soldat mit seinen schweren Stiefeln hereinkam, wurden die Holzdielen bewegt und die Flaschen stießen zusammen. Der Russe sah nach und entdeckte dabei Ruth. Zur Sicherheit räumten wir die Flaschen dann weg.
Die Zeiten waren sehr unsicher im Frühjahr 1945. Unsere Nachbarn Jungfer waren von der Flucht zurück in Heidau. Hilda Jungfer kam zu Mama und wollte mich für einen Tag und eine Nacht ausborgen und ihre Verwandten in Panten besuchen, die bei einem sowjetischen Kommando festgehalten wurden und dort ein großes Gut zu versorgen hatten. Ich vermute, Jungfers waren schon bei den Verwandten gewesen, denn Hilda wusste von den Militärsperren auf dem Weg. Ihr war bekannt, dass ich etwas polnisch konnte und deshalb sollte ich das Sprechen übernehmen. Mama zögerte, waren doch gerade Russen abgezogen, die auf unserem Hof übernachtet hatten. Sie wollte mich nicht gehen lassen und ich kann bis heute nicht genau sagen, warum sie dann doch zustimmte. Vielleicht hatte Hilda so gebettelt, dass sie nicht anders konnte. Wir gingen noch am gleichen Morgen los, nachdem ich mir meine Jacke geholt hatte. Hilda war etwa fünfunddreißig und kam mit leeren Händen angehinkt, denn eines ihrer Beine war kürzer als das andere. Ich sollte also die Rolle ihrer Tochter einnehmen und die Sperren täuschen. Wir gingen in nördlicher Richtung los, wählten unbefestigte Feldwege und mieden alle Dörfer. Es war ein anstrengender Weg für mich, aber für Hilda mit ihrer Gehbehinderung war es schlimmer. Tapfer und ohne Pause hielt sie durch, bis wir gegen Nachmittag an der bewachten Sperre ankamen. Ein finster blickender Soldat fragte barsch:
„Kuda?“
Das wird wohl „wohin?“ heißen, dachte ich und erklärte ihm, dass wir die Mattka (Mutter) von Hilda besuchen wollten. In Wirklichkeit war es die Tante, aber das passende Wort fiel mir nicht ein. Für den Soldaten wäre es sowieso kein Unterschied gewesen.
„Karascho,“ sagte er laut und ließ uns passieren. Jetzt war es nicht mehr weit. In einem der Arbeiterhäuser fanden wir die Verwandten: Tante, Onkel, zwei Töchter und einen kleinen Sohn der einen Tochter. Hilda half im Stall melken und füttern, ich sah mich vorsichtig etwas um. Dann gab es ein reichhaltiges Abendbrot: Pellkartoffeln mit Butter und Quark, es fehlte nur frischer Schnittlauch. Ich ließ es mir schmecken und spülte alles mit einem Glas Milch hinunter.
Es wurde dunkel, als mir eine Kammer mit nur einer Pritsche in der Ecke, Kopfkissen und Decke gezeigt wurde. Ganz ungewohnt war ich allein in einer fremden Kammer, die Strapazen des Tages ließen mich traumlos schlafen. Ich dachte noch, wie viel besser sich ein
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