Der 8. Februar (German Edition)
Bürgermeister nahm. Drei Dittrich-Töchter mussten bei den Russen Wäsche waschen. Sie wurden bei ihrer Arbeit eingeschlossen, da die Waschküche einen Zugang zum Lebensmittellager hatte. Sie nahmen ihren Mut zusammen und nähten sich Taschen in die Röcke. Auf diese Weise nahmen sie am Abend unentdeckt Reis, Zucker, Speck und Schinken mit.
In Parchwitz gab es eine Konservenfabrik, die seit Anfang des Jahres nicht mehr produzierte. Alle Fabriken hatten ihre Produktionen eingestellt. Es gab keine Ernte mehr und auch keinen Nachschub an Dosen. Im Keller der Fabrik lagerten jedoch Tausende von Dosen, gefüllt mit grünen Bohnen, Selleriesalat und Grünkohl, wobei der Salat am besten schmeckte. Zusätzlich befanden sich dort auch noch Apfel- und Aprikosenmus in Fässern. Nachdem die Fabrik aufgegeben worden war, gingen wir, wie auch viele andere aus dem Kreis Liegnitz, hin und holten uns hin und wieder Dosen in Säcken, die wir in einen Handwagen luden.
Die Konservenfabrik war uns nun verschlossen und wurde rund um die Uhr vom Militär bewacht. Eine kleine Gruppe von Kindern holte mich ab, um nach Parchwitz zu gehen, denn dort sollte in einem Haus in einer bestimmten Straße auf dem Dachboden Dörrgemüse gefunden worden sein. Ich suchte einen Kopfkissenbezug und ging mit. Wir hatten zusammen einen Handwagen, auf dem jeder seinen Sack aufladen sollte. Mittlerweile kannten wir Parchwitz ganz gut und fanden das uns beschriebene Haus. Wie immer ging erst einer vor, um den Ort zu erkunden. Es kamen uns schon Leute mit Säcken entgegen, die anscheinend nicht behelligt worden waren, und so stiegen wir die Treppen des verlassenen Hauses hinauf. Auf dem Dachboden fanden wir nicht mehr allzu viel. Wir sammelten die Reste auf und teilten sie redlich unter uns auf. Ich schätzte meinen Anteil auf mindestens vier Mittagessen. Wir nahmen unsere Säcke, schnürten sie zu und gingen wieder die Treppen hinunter. Dann packten wir alles auf den Handwagen und zwei von uns zogen ihn zurück nach Heidau. Wie es den anderen ging, weiß ich nicht, ich war jedenfalls etwas enttäuscht über die kleine Menge, denn langsam aber sicher gingen überall die Vorräte zu Ende und ich wusste nicht, wo wir uns als nächstes etwas Essen besorgen konnten. Auf dem Heimweg trafen wir auf einen etwa sechzehnjährigen Jungen aus Oberheidau, der auch nach Dörrgemüse suchen wollte. Nachdem wir ihm aber sagten, dass dort nichts mehr zu holen sei, kehrte er um und ging mit uns zurück. Etwa in Höhe unserer Privatstraße, die Papa hatte bauen lassen, wollte ich meinen kleinen Sack vom Wagen nehmen, da sagte er plötzlich mit hämischer Stimme:
„Sieh an, die reiche Maiwald Inge geht Essen zusammensuchen! Ja, früher habt ihr die Wurst gegessen.“
Darauf antwortete ich schlagfertig:
„Ach, und jetzt esst ihr die Wurst?“
Er holte aus und klatsch, hatte ich seine rechte Hand im Gesicht. Ich schnappte meinen Kopfkissenbezug und rannte die letzten achtzig Meter nach Hause. Ich wollte Mama nichts von dem Vorfall sagen, er war belanglos für mich, aber sie empfing mich an der Tür und sah sofort den Abdruck aller fünf Finger auf meiner Wange, so fest hatte er zugeschlagen.
„Was ist dir denn passiert?“, fragte sie besorgt. Da musste ich alles erzählen. Der Junge hieß Hofmann und war der Sohn eines Landarbeiters, der im Winter 1944 noch zu unserem Vater gekommen war und um einen Zentner Kohle gebeten hatte. Papa schenkte ihm die Kohle....
Die wenigen Bewohner Heidaus, die zurückgekommen waren, teilten untereinander, soweit sie konnten. Eines Tages jedoch kam eine fremde Frau zu uns und bat um ein Nachtquartier. Sie aß zu Abend bei uns, es gab wie immer Pellkartoffeln mit Salz. Danach wusch sie sich mit heißem Wasser in der Diele und fragte nach einer Schere zum Nägel schneiden. Mama gab ihr unsere einzige Schere. Am nächsten Morgen frühstückten wir gemeinsam selbstgebackenes Brot mit Zuckerrübensirup und Getreidekaffee. Die Frau packte anschließend ihren Rucksack und verabschiedete sich von uns in der Diele. Da fragte Mama nach der Schere, doch die Frau schüttelte nur erschrocken mit dem Kopf. Sie spielte Mama etwas vor und durchsuchte zum Schein ihre Jackentaschen, in denen sie sie aber nicht fand. Mama bestand darauf, dass sie ihren Rucksack öffnete, den sie bereits auf dem Rücken trug und ergriff gleichzeitig ihren Arm. So führte sie Mama zurück in die Küche, wo die Frau den Rucksack auf einen Stuhl stellen und
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