Der 8. Februar (German Edition)
Fußballnationalmannschaft mit dem Sieg über Ungarn Weltmeister. Das war so wichtig für unser Land, denn zum ersten Mal nach sehr langer Zeit galt Deutschland wieder etwas in der Welt und die Deutschen waren stolz auf ihr Team. Wir hörten die Übertragung im Radio und freuten uns.
Mit Papas Bluthochdruck, Herzschädigung und Erblindung des rechten Auges war er recht eingeschränkt. Papa und Kapa fuhren nach einem Telefongespräch mit dem Opel los, um einen geeigneten Betrieb zu finden. Es standen ein paar Anzeigen in dem Journal „Wild und Hund“, das immer gern von Papa gelesen wurde, sich aber nicht immer kaufen konnte.
In Marburg, Hessen, stand ein Betrieb zum Verkauf, der aber keinen ausreichenden Wasseranschluss besaß. In Friedrichsdorf gab es schöne Gebäude auf einem großen Grundstück, der Preis war aber zu hoch und konnte nicht heruntergehandelt werden. Schließlich hatten wir Glück: in Friedberg gab es ein paar alte Gebäude und einen Stall auf einem Grundstück mit angrenzendem Fluss. Der Preis war astronomisch für uns und wir Mädchen rieten gemeinsam mit Mama vom Kauf ab. Papa hatte eine gewisse Alles-oder-Nichts Haltung und er erwiderte daraufhin:
„Was haben wir zu verlieren? Wir haben keine Anzahlung und wir bekommen keinen Kredit von der Bank. Wir haben aber die Möglichkeit, jährlich 3000 DM abzuzahlen. Das muss doch zu schaffen sein!”
Der Anwalt Paetow aus einer Kanzlei in Gießen wurde eingeschaltet, der die Verkäufer, eine Erbengemeinschaft Seligmann, bestehend aus fünf Nichten und Neffen, die in Amerika und der Schweiz lebten, vertrat. Es dauerte also ein paar Wochen, bis sich alle einig waren und wir am 1.Mai 1955 eine neue Adresse in Friedberg hatten.
Noch in der Rimbecker Zeit hatte es eine Gelegenheit gegeben, nach Kanada auswandern, aber Papa hätte dann seinen Rentenanspruch verloren, von dem wir alle fünf lebten. Aus Rimbeck brachten wir kein Kapital mit. Wir hatten zwar 2000 DM erspart, die aber für den Umzug verbraucht wurden. Auf zwei Lastwagen wurde unsere gesamte Habe verladen. Sie bestand aus den beiden Haspeln, einer Läutertrommel, einer Schütteltrommel, einer Turner Entfleischmaschine, einer Kreismesser-Schleifmaschine, ein paar kleineren Maschinen und unseren klapprigen Möbeln.
Der Zustand der Gebäude war weit schlechter als derjenige in Heidau. Die Bauten waren etwa hundertfünfzig Jahre alt und glichen eher einer Burgruine. Ursula und ich bekamen Schlafplätze im ehemaligen Chemikalienlager und wachten jeden Morgen mit einem beißenden Geschmack im Mund und rauhem Hals auf. Wir hatten noch kein Badezimmer, sondern nur einen Wasserhahn mit kaltem Wasser außen am Haus. Papa fand einen großen alten Spiegel mit zum Teil abgeblätterter Silberschicht. Der wurde über dem Wasserhahn aufgehängt und vervollständigte unsere Waschstelle. Ein primitives Wasserklosett gab es auf der anderen Seite des Hofes neben einem der Werkstatträume.
Wir hatten keinen richtigen Fußboden im Haus, sondern nur festgestampfte Erde. Es war mehr eine alte Scheune als ein Wohnhaus, da der Vorbesitzer die Gebäude nur als Fabrik und Lager benutzt hatte. Für uns hieß es wieder einmal ganz von vorne anzufangen. Zuerst wurden die Maschinen aufgestellt und angeschlossen, die ganze Elektrik musste erneuert werden, Rohre mussten verlegt werden, es war sehr viel Arbeit. Dann ging es an das Wohnhaus und nach vielen Wochen war es einigermaßen bewohnbar, zwar immer noch primitiv, aber es war zu beheizen: der nächste Winter stand vor der Tür. Wir alle arbeiteten, solange wir Tageslicht hatten und fielen nach dem Abendessen nur noch ins Bett.
Nachdem wir nach Friedberg gezogen waren, besuchten meine Eltern, Kapa und ich, mehrmals Christine und Robert Arlt in Frankfurt. Sie wurden auch zu unserer Hochzeit am 22.4.1956 eingeladen und schenkten uns zwölf Geschirrtücher und einen wunderschönen weißen Fliederstrauß mit zwanzig Mark daran.
Unsere Hochzeit in Friedberg: Maria, Josef, Ingeborg, Kapa, Klara und Artur
Im Juni erreichte uns dann eine traurige Nachricht: meine zweite Großmutter Muttel war gestorben. Sie wohnte bei einem ihrer Söhne in einem Ort in der Nähe Dresdens in der Deutschen Demokratischen Republik. Meine Eltern, Kusine Ruth und ich machten uns im Auto auf den Weg zur Beerdigung. Als wir an der deutsch-deutschen Grenze ankamen, gab es jedoch eine große Enttäuschung: wir hatten keine Erlaubnis, mit dem Auto
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