Der 8. Februar (German Edition)
alten Plattenspieler im Haus und die Schallplatten, die den Krieg überlebt hatten, wurden abgespielt. Im Jahre 1952 kaufte sich Papa mehrere Päckchen Rasierklingen mit insgesamt einhundert Stück von einem fahrenden Händler, der ihm dafür eine Armbanduhr dazugab. Papa wählte eine Damenuhr aus und schenkte sie mir. So kam ich zu meiner allerersten Uhr mit achtzehn Jahren und wenn ich die Zeit ablas, kam mir manchmal die Erinnerung an Heidau zurück, als die russischen Soldaten „Uri,Uri“ gerufen und uns bedroht hatten.
Der DKW 1952
Vaters Bruder Otto kam aus Wilhelmshaven zu Besuch. Er blieb etwa eine Woche und führte lange Gespräche mit Papa. Sieben Jahre hatten sie sich nicht gesehen, jetzt waren beide krank und mussten immer noch hart arbeiten. Als die Zeit des Abschiednehmens kam, schauten sie sich ernst an und umarmten sich fest. Vielleicht wussten sie es schon zu diesem Zeitpunkt, dass es das letzte Mal sein würde. Nur etwa ein Jahr später fuhr Papa mit der Bahn zu seiner Beerdigung und erwies ihm die letzte Ehre. In dieser Zeit erreichte Mama ein Brief von Krauses Tochter Grete. Sie hatte die Adresse durch das Rote Kreuz in Erfahrung gebracht und fragte, was aus ihrem Vater geworden sei. Mama beantwortete den Brief am nächsten Tag und erwähnte seinen wahren Charakter und die Schandtaten mit keinem Wort...
Wir hatten die primitivste Gerberei der Welt, mit offenem Koksfeuer, einem Motor mit Transmission, wo der Riemen immer wieder auf ein anderes Rad gelegt werden musste. Mit ihm wurden die beiden Haspel und die Läutertrommel angetrieben. Der Himmel weiß, wie sich unsere Eltern abschinden mussten, was nicht ohne Folgen blieb. Papa erlitt den dritten Herzinfarkt und konnte die Kalbfelle nicht mehr beschneiden. Der Arzt kam und verordnete ihm Bettruhe über mehrere Wochen. Es gab keine Infusionen oder Medikamente, wie es heute üblich ist, und Papa musste ziemlich leiden. In der Zuschneiderei arbeitete ich mit einer schweren Schere und meine Fingerknochen nahmen Schaden, der sich nie mehr beheben ließ. Noch heute kann ich die Abdrücke fühlen. Wir suchten einen Beschneider und fanden den Sohn eines Gerbers aus Horn, Karl Stecker. Er half uns etwa vierzehn Tage lang, damit wir den Auftrag beenden und ausliefern konnten. Papa bat mich, den Sohn des Schlossermeisters Schulte, Kaspar, genannt Kapa, der gerade seine zweite Lehre beendet hatte, zu fragen, ob er uns helfen könnte. Kapa hatte zuerst Gärtner gelernt und schon ein Jahr in Lippstadt gearbeitet, dort aber festgestellt, dass man damit zu wenig verdiente. Als dritter Sohn machte er eine Schlosserlehre bei seinem Vater, die aufgrund der ersten Lehre nur zwei anstatt drei Jahre dauerte. Kapa sagte ja und von da an arbeitete er bei uns. Wir hatten uns in der Gruppe der Dorfjugend kennengelernt. Da waren wir alle befreundet und unternahmen manchmal gemeinsame Ausflüge, die nichts kosten durften, denn kaum jemand hatte Geld. Bernhard musste in eine andere Stadt ziehen und kam höchstens einmal am Wochenende nach Rimbeck. Kapa bemühte sich um mich und ich mußte eine Entscheidung treffen, mit wem ich nun zusammen sein wollte. Ich entschied mich für Kapa. Er war ein sehr schlanker, schwarzhaariger junger Mann, zwei Jahre älter als ich, kurz gesagt, gutaussehend mit ehrlichen Augen. Im Laufe der nächsten Monate lernte ich Kapa besser kennen und es wurde mir klar, daß ich die richtige Wahl getroffen hatte. Er war zielstrebig, verlässlich, aber auch lustig, und wir versuchten, viel Zeit miteinander zu verbringen. Es war 1953 und wir gingen schon ein Jahr zusammen. Seit seiner Mitarbeit in der Gerberei sahen wir uns jeden Tag und vielleicht ging mir die Arbeit dadurch etwas leichter von der Hand.
Wir bekamen eine finanzielle Haushaltshilfe, die sich nach Familienstand und angegebenem Vermögen richtete. Es waren zwischen 300 und 900 DM. Wir bekamen den Höchstbetrag, weil wir ein großes Haus verloren hatten. Zu allen Angaben mussten Zeugen benannt werden, die aber keine Verwandten sein durften. Dieser Betrag wurde nicht auf einmal ausgezahlt, sondern in Raten. Als der erste Teil kam, wussten unsere Eltern nicht, ob und wann die nächste Zahlung überhaupt kommen würde. Es ist tatsächlich so gewesen, dass ich Jahre danach auf Lastenausgleichskosten hätte studieren können. Für mich war das zu spät, es war besser zu versuchen, aus eigener Kraft das Leben zu meistern.
Im Sommer 1954 wurde die deutsche
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