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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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waren nicht zugezogen und er konnte beobachten, wie sie einen Computer anschaltete, der auf einem Schreibtisch beim Fenster stand. Der Mann stand hinter ihr und schaute ihr über die Schulter. Dann griff sie zu den Vorhängen und zog sie zu.
    Er verließ vorsichtig sein Versteck, blieb dabei im tiefen Schatten und schlich auf der Suche nach einer Möglichkeit hereinzukommen um das Haus.
    In seiner Tasche krampfte sich seine Hand wieder um den Griff des Jagdmessers. Er zog die lange, gefährlich scharfe Klinge aus der Scheide und brachte sie sorgfältig in Stellung.
    69
    TESSA KONNTE SICH eines kleinen Anflugs von Stolz
    nicht erwehren, als sie den Computer abschaltete und sich zu ihm umdrehte. Er saß auf der Kante der Fußbank ihres Lehnsessels, die Ellenbogen auf die Knie gestützt und in seinem Gesicht stand das Erstaunen geschrieben.
    »Der Schein oder die Wirklichkeit«, sagte sie um das Schweigen zu brechen. »Das ist eine rein philosophische Frage und wenn überhaupt von untergeordneter Bedeutung. Wichtig ist nur, dass dieses Ding hier genauso real ist wie das Ding dort draußen.«
    »Und was wird passieren«, fragte er zu ihr aufblickend,
    »wenn die beiden aufeinander treffen?«
    »Um genau zu sein«, gab sie zurück, »werden sie sich überhaupt nicht treffen. Sie werden einfach ineinander übergehen.«
    »Und sich verändern.«
    »Ja.«
    »Was macht Sie so sicher, dass dieses Programm hier der Gewinner sein wird?«
    »Ich glaube, dass Rationalität stärker ist als Irrationalität.«
    Er stand auf und strich sich mit der Hand durch die Haare.
    »Das ist aber Ausdruck einer Menge Gottvertrauen.«
    »Ich sehe es lieber als einen Ausdruck des Naheliegenden an.«
    Er blickte sie an. »Besteht nicht eine Möglichkeit«, er brachte seine Hände geräuschlos zusammen, »dass sie sich zerstören wie Materie und Antimaterie? Oder was sonst noch mit ihnen passieren könnte?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht wie Materie und Antimaterie. Physisch sind sie dasselbe; auf geistiger Ebene etwas Verschiedenes.«
    »Der gute Zwilling und der böse.«
    »Wenn Sie so wollen.«
    Er schüttelte verständnislos seinen Kopf. »Mein Gott.«
    Einige Augenblicke starrte er auf die Wand. Sie merkte, wie sich in seinem Kopf eine weitere Frage formulierte, und wartete ab.
    Er deutete auf den Computer. »Müssen sie beide Kopien gleichzeitig ausschicken? Die hier und die in dem Computer im Institut.«
    »Nein, eine davon genügt. Ich habe beide Kopien gegeneinander laufen lassen um ihm… «, sie brach ab. Immer noch plagten sie Zweifel, ob der Gebrauch der Bezeichnung ›ihm‹
    richtig wäre.
    »He, ist schon in Ordnung«, meinte er, weil ihm klar war, weshalb sie gezögert hatte. »Das hier ist ganz sicher kein ›es‹.
    Ich frage mich nur, warum sie ihn Paul genannt haben.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Eine Familienangelegenheit.«
    Er hakte nicht nach. Stattdessen ging er zu dem Computer hinüber, den sie gerade ausgestellt hatte, und schaute ihn sorgenvoll an. »Das ist also alles, was es von ihm gibt«, bemerkte er. »Das hier und die Kopie im Institut.« Er blickte sie über die Schulter an. »Nur diese beiden, stimmt das?«
    »Ja«, bestätigte sie und war etwas verwirrt von seinem Tonfall. Er schien auf etwas hinauszuwollen, doch sie wusste nicht was.
    »Aber ich nehme an, wenn beiden etwas zustoßen sollte, dann können Sie schnell eine neue Fassung herstellen und sie zum Laufen bringen?«
    Sie machte eine unbestimmte Geste. »Nicht so schnell. Ich hoffe, das wird nicht nötig sein.«
    »Das habe ich mir gedacht.«
    »Entschuldigung? Ich bin mir nicht sicher… «
    Er lächelte sie an, ein seltsames Lächeln, das sie noch nicht an ihm bemerkt hatte. Es schien nicht aus seinem Gesicht zu kommen, sondern von irgendwo dahinter, so als ob er das Gesicht, das sie kannte, wie eine Maske, die er nicht länger brauchte, abgelegt hätte.
    »Sie sind sich nicht sicher, dass Sie was?«, fragte er. »Verstanden haben? Ich glaube schon. Ich denke, Sie haben es erraten, oder?«
    Sie erschauderte, als ob der Mann, den sie ansah, nicht länger der Mann war, mit dem sie den Abend verbracht hatte.
    Dieser Mann war ihr fremd. Etwas Merkwürdiges und Nichtgreifbares stimmte bei ihm nicht.
    »Ich bin nicht Tim Kelly«, erklärte er und hatte einen seltsam zufriedenen Gesichtsausdruck, als er ihre Reaktion bemerkte. »Mein Name ist Chuck Price. Tim Kelly wurde auf seinem Weg zum Flughafen unvermeidlich aufgehalten – für

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