Der 8. Tag
Gesicht erinnern w ü rden, wenn er wieder dorthin ginge, doch seinen richtigen Namen hatten sie nie erfahren. Er war angeschossen, geschlagen und gefoltert worden und er selbst hatte so viele Menschen umg e bracht, dass er sich nicht die M ü he machte nachzuz ä hlen.
Trotzdem war er weder entt ä uscht noch langweilte ihn sein jetziges Leben in einer baumges ä umten Vorortstra ß e, wo er zusammen mit seiner iranischen Frau und einer h ü bschen minderj ä hrigen Tochter wohnte. Die Nachbarn kannten ihn als h ö flichen aber schweigsamen Mann, der, so war die allgeme i ne Meinung, f ü r das Verteidigungsministerium in der Stadt arbeitete. Der Major selbst erz ä hlte nie etwas ü ber sich und seine Art blockte von vornherein jede Frage ab.
Er selbst dachte, wenn ü berhaupt, nur selten ü ber sich und seinen Beruf nach, denn er hielt Selbstanalyse f ü r eine Zeitve r schwendung und eine besonders ungesunde Besch ä ftigung. Seit er in den F ü nfzigerjahren als junger Mann eingezogen worden war, war seine Loyalit ä t zu seinem Land ungebr o chen. Er akzeptierte die milit ä rischen und politischen Hiera r chien ohne zu fragen und die sozialen Unterschiede ohne zu murren. Er kannte seinen Platz und den Platz der anderen.
Es w ä re ihm nie in den Sinn gekommen, sich dar ü ber G e danken zu machen, dass Leute wie er noch nicht einmal im Entferntesten als Mitglieder der Klubs in Piccadilly und St. James in Betracht gezogen w ü rden, in denen seine Chefs aus Whitehall an den meisten Wochentagen zu Mittag und zu Abend a ß en und wo sie sich in Gruppen zusammenfanden um Strategien zu entwickeln, die in viel entscheidenderer Weise die Zukunft des Landes bestimmten, als es freie Wahlen taten. Die M ä nner und heutzutage auch Frauen, f ü r die er gearbeitet hatte, hatten ihre Gr ü nde f ü r das, was sie taten. Ihn in ihre Welt aufzunehmen, und wenn es nur f ü r einen Drink nach einem arbeitsreichen Tag w ä re, k ä me nicht infrage. Wenn Jonathan Syme ihn zum Beispiel heute Abend ins Whites oder Pratts oder ins Oxford und Cambridge eingeladen h ä tte, h ä t ten andere Mitglieder, f ü r die der Major in der Vergangenheit gearbeitet hatte, sofort gewusst, dass etwas im Busch war. Die Neugierde w ä re geweckt worden, Ger ü chte w ä ren entstanden und die Geheimhaltung hinf ä llig geworden. Selbst ein Idiot konnte das begreifen und der Major war kein Idiot.
In einem Pub in der N ä he von Charing Cross nahmen sie an der Bar ihre Drinks entgegen und setzten sich an einen stillen Ecktisch. Syme hatte schon auf eine Art zur Uhr geblickt, die den Eindruck erweckte, dass er nicht viel Zeit h ä tte, deshalb kam der Major sofort zur Sache.
» Wir haben ein Bankkonto in Z ü rich ausfindig gemacht « , begann er, » das zweifellos Dr. Lambert geh ö rt. Es ist nat ü rlich ein Nummernkonto, aber ohne hier die Einzelheiten zu e r w ä hnen k ö nnen wir ziemlich sicher sein, dass es ihres ist. Mehr als eine halbe Million Pfund sind im letzten Monat da r auf eingegangen. Es waren drei Zahlungen, alle von derselben Bank in Tokio. «
Jonathan starrte auf sein Glas und nickte ohne einen Ton zu sagen, m ü de und traurig.
» Es kann ja sein, dass wir, wie Sie sagten, keine legale Handhabe haben « , fuhr der Major fort, » aber ich bin der Me i nung, dass wir doch irgendetwas unternehmen m ü ssen. «
Jonathan hob den Kopf und schaute dem Major direkt in die Augen. » Was zum Beispiel? « , fragte er tonlos.
» Zuerst einmal k ö nnten wir ihren Computer untersuchen um herauszufinden, was da drin ist, wenn es ü berhaupt noch da drin ist. «
» Soweit ich wei ß , arbeitet sie rund um die Uhr daran, also muss es noch drin sein. « Jonathan seufzte und lie ß sich gegen die harten Holzpaneele sinken, die ä chzten, als sich auch der Major noch dagegenlehnte.
» Irgendwann muss sie schlafen « , erkl ä rte der Major. » Wir k ö nnen die Sache schnell und unauff ä llig erledigen, ohne dass jemand etwas mitbekommt. Ich habe ü brigens heute Nachmi t tag mit unserem amerikanischen Freund gesprochen. Er reist morgen ab. «
» Wei ß ich, ich habe Ihre Nachricht erhalten. «
» Anscheinend haben sie inzwischen die Beweise, die sie brauchen. Sie m ü ssen nur noch den Mann finden. Der Amer i kaner hat mir gesagt, es t ä te ihm Leid, dass er nichts herau s bekommen hat, was uns helfen k ö nnte. Was er allerdings nicht gesagt hat « , und dabei beugte sich der Major vor, kniff seine Augen noch enger zusammen und
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