Der 8. Tag
keine Rolle. Ihre Gedanken w a ren ganz woanders.
Sie achtete nicht auf das Klappern von Schritten auf den harten Linoleumfliesen des Korridors, bis diese sich aus den allgemeinen Hintergrundger ä uschen eines n ä chtlichen Kra n kenhauses heraussch ä lten und direkt vor ihr verstummten.
» Was ist passiert, Tessa? «
Es war Helen. Ihr Haar war ungek ä mmt, unter einem alten Parka trug sie Jeans und einen Pullover und sie erweckte den Eindruck, als h ä tte sie sich seit dem Moment, in dem sie aus ihrem Bett gestiegen war, und bis zu ihrem Eintreffen hier keine Zeit zum Atmen geg ö nnt.
Ohne nachzudenken sprang Tessa auf und sank in ihre Arme. An Helens Schulter begann sie zu schluchzen.
Der Polizist trat einen Schritt nach vorne, wurde dann aber unsicher, ob er dazwischengehen sollte oder nicht.
» Ich bin ihre Ä rztin « , erkl ä rte Helen kurz angebunden, als sie ihn bemerkte. Er trat zur ü ck .
Helen schob Tessa auf Arml ä nge von sich weg und muste r te sie.
» Alles in Ordnung? «
» Ja. Woher wusstest du, dass ich hier bin? «
» Eine Freundin von mir in der Aufnahme hat mich anger u fen. Nach der Sache in Berlin wollte ich kein Risiko eingehen. Wer hat dich angegriffen? «
» Das ist eine lange Geschichte. «
» Was ist mit dem Mann, der mit dir eingeliefert wurde? «
» Er hat eine Stichwunde und wird gerade operiert. Ich warte hier auf … «
» Wer ist es? «
» Josh Kelly, ein Amerikaner. Vielleicht haben sie auch den Namen Walsh notiert. Ich wei ß es nicht. «
Helen blickte auf den Verband an Tessas Hand. » Hast du sonst noch Verletzungen? «
» Ja, ein paar Verstauchungen und Bluterg ü sse. «
» Ich werde mal sehen, was ich ü ber Walsh oder Kelly oder wie er auch hei ß en mag, in Erfahrung bringen kann. Du wa r test hier, klar? « Sie legte Tessa ihre H ä nde auf die Schultern und dr ü ckte ihre Freundin wieder auf den Plastikstuhl. » Geh nicht weg. Ich bin gleich wieder hier. «
Jonathan Syme betrat Downing Street Nr. 10 durch den geheimen Eingang im Keller des Schatzamtes. Er wusste schon lange, dass dieser Eingang existierte, doch er benutzte ihn zum ersten Mal. Er war daf ü r gedacht, dass Besucher die Residenz des Premierministers betreten und verlassen konnten ohne die immer wachsame Presse aufzuscheuchen.
Als Jonathan ankam, wurde er von Jeffrey Pennycate, dem Privatsekret ä r des Ministers im Flur von Downing Street 10 erwartet. Trotz der Tatsache, dass man ihn mitten in der Nacht aus dem Bett geholt hatte und er noch nicht einmal Zeit gehabt hatte sich zu rasieren, war Pennycate elegant wie immer und f ü hrte Jonathan eilig einen Korridor entlang, wobei er ihm mitteilte, dass der Premierminister ihn in seinem Arbeitszi m mer erwartete.
Als sie am Kabinettszimmer vorbeikamen, sah Jonathan durch die halb offene T ü r eine Hand voll der wichtigsten R e gierungsmitglieder, darunter den Innenminister, den Au ß e n minister und den Verteidigungsminister, in dem Raum wie eine Gruppe von Schuljungen herumstehen, die sich schmu t zige Witze erz ä hlten, die K ö pfe zusammensteckten, allerdings mit dem Unterschied, dass niemand lachte. Als Jonathan vo r beiging, hoben sie erwartungsvoll die K ö pfe. Ganz offensich t lich waren sie hierher beordert worden und warteten immer noch auf eine Erkl ä rung daf ü r.
Als Jonathan eintrat, begr üß te ihn der Premierminister mit einem schlaffen H ä ndedruck. Sie hatten sich schon ö fters g e troffen und kamen im Gro ß en und Ganzen gut miteinander aus. Jonathan hielt ihn f ü r einen zivilisierten und nachdenkl i chen Mann, der wie viele Menschen in solch hohen Ä mtern unter dem Schicksal zu leiden hatte als unentschlossen zu gelten. Die Meinungsumfragen standen schlecht f ü r ihn, seine Mehrheit im Parlament war d ü nn und die Parteibasis traute ihm nichts zu. In den drei Amtsjahren hatte sich sein Haar, das vormals braun mit ein paar grauen Str ä hnen gewesen war, schlohwei ß gef ä rbt. Trotzdem hatte Jonathan ihn nie verzwe i felter als in diesem Moment gesehen. Die beiden M ä nner sch ü ttelten sich die H ä nde.
» Ich komme gleich zur Sache « , begann der Premierminister.
Pennycate zog sich in eine Ecke zur ü ck, wo er Vorbereitu n gen traf Notizen zu machen, obwohl nach Symes Kenntnissen jedes Wort, das hier fiel, automatisch aufgezeichnet wurde .
» Vor etwas mehr als einer Stunde « , begann der Premierm i nister, » wurde ich durch einen Anruf geweckt. Er kam auf meinem Privatanschluss
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