Der 8. Tag
musk u l ö s unter dem Hemd.
Das war ein Mann, der immer noch, wenn n ö tig, einen Schlag austeilen konnte, doch jetzt lagen seine gro ß en H ä nde vorsichtig um zwei Flaschen, die in der Art, wie er sie hielt, an Modellflugzeuge erinnerten. In der einen war California C a bernet und in der anderen f ü r die, die es mochten, bester ir i scher Whiskey. Er f ü llte jedes Glas au ß er seinem eigenen, das seit neunzehn Jahren immer nur reines Leitungswasser en t hielt.
So als ob er den Blick seines ä ltesten Sohnes gesp ü rt h ä tte und m ö glicherweise auch die Gedanken, die dahinter standen, hob Matt Kelly sein Glas, zwinkerte und prostete ihm ü ber den Tisch hinweg zu.
Tim hob sein Weinglas und erwiderte die Geste, l ä chelte in das runde Gesicht, das er so hingebungsvoll liebte und das er einst so gef ü rchtet und gehasst hatte, dass er noch heute e r schrak, wenn er sich daran erinnerte.
Esther Kelly kam mit zwei weiteren jener duftenden, frisch gebratenen mit Mais gem ä steter H ä hnchen aus der K ü che herein, die den Hauptgang des ö sterlichen Familienessens ausmachten. Josh, Tims drei Jahre j ü ngerer Bruder, war schon aufgestanden und hielt Messer und Gabel bereit. Dass Josh das Fleisch aufschnitt, wann immer er zu Hause war, war eine Familientradition, die weiter zur ü ckging als irgendjemand sich erinnern konnte, zur ü ck in Zeiten, an die sich niemand erinnern wollte, jene Tage in denen sie alle in Furcht vor den brutalen Ausbr ü chen des betrunkenen Matt gelebt hatten.
Irgendwie hatte es Esther geschafft, die Familie in jenen schrecklichen Zeiten zusammenzuhalten, indem sie ihre S ö hne vor den schlimmsten Ausbr ü chen ihres Vaters besch ü tzte, wobei sie manchmal einen Gro ß teil selbst abbekam. Tim wu r de immer noch ü bel, wenn er an die Platzwunden und blauen Flecken, die sich verf ä rbenden Schwellungen in ihrem Gesicht dachte, wenn sie auf Zehenspitzen in das Zimmer der Jungs kam und Tim fl ü sternd, damit Josh nicht aufwachte, bat ihr zu helfen den Vater, der irgendwo bewusstlos in der Wohnung umgefallen war, ins Bett zu bringen.
Der m ä chtige Polizist war dann manchmal noch in Un i form, manchmal in Unterw ä sche, ab und zu auch ganz nackt bis auf einen Bademantel, den Esther um ihn gewickelt hatte, bevor sie ihren Sohn geholt hatte.
Dies waren die Tage, an denen Tim, wenn er noch an Gott geglaubt h ä tte, wie es seine Mutter tat, darum gebetet h ä tte, dass sein Vater sterben m ö ge.
Weiter unten am Tisch lachte Josh und tauschte Familie n anekdoten mit einem Dutzend oder mehr Onkeln und Tanten, Kusinen und Kindern aus, w ä hrend er deren Teller nachf ü llte. Doch seine Gedanken waren, wie immer bei solchen Anl ä ssen, bei seinem Bruder Tim. Er wusste, dass der Flug quer durchs Land, die Taxifahrt vom Kennedy Airport zu dem immer gleichen alten Ort in Queens bei Tim Erinnerungen hervorri e fen, die fast nicht zu ertragen waren.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Joshs Erinnerungen an diese Zeit waren seltsam undeutlich. Er vermutete, dass er sie irgendwie verdr ä ngt hatte, weil sie zu schmerzhaft waren. Doch es gab einen Tag, den er nie vergessen hatte und auch nie vergessen w ü rde. Das war der Tag, an dem der f ü nfzehn Jahre alte Tim schlie ß lich vor seinen Vater getreten war und ihm gesagt hatte, dass es so nicht weiterginge. Der gro ß e Mann war zum Berserker geworden. Er schlug seinen Sohn fast tot, brach ihm den Arm, die Nase, drei Rippen und ve r passte ihm einen Milzriss, bevor die Mutter irgendwie den Dienstrevolver des Alten aus dem Holster bekommen und zwei Sch ü sse in die Wand abgegeben hatte, die f ü r Ruhe sor g ten.
Damals, in jenem Moment, war etwas mit dem gro ß en Matt passiert. Es war, als ob aller Alkohol aus seinem Kopf ve r schwunden w ä re und von der klaren Erkenntnis dessen, zu was er geworden war und was er getan hatte, ersetzt worden war. Er war auf die Knie gesunken, hatte seinen zusammeng e schlagenen Sohn in die Arme genommen und ihn nicht wieder losgelassen, bis er sicher auf der Trage des Rettungsdienstes lag. Sie hatten eine Polizeieskorte bekommen und heulende Sirenen, was bedeutete, dass seine Dienststelle davon erfuhr, nicht zuletzt aufgrund der Fragen, die er wegen der zwei Sch ü sse in seiner Wohnung zu beantworten hatte.
Polizisten hielten zusammen, egal wie, und die ganze Sache wurde unter den Teppich gekehrt, so wie Matts Trinken w ä h rend des Dienstes jahrelang gedeckt wurde. Doch von diesem
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