Der Abgrund
können, dass Randy irgendetwas Falsches getan hat. Ich weiß, dass Sie Probleme mit der Arbeit von Undercover-Leuten haben, und es gibt gute Gründe, warum Randy Probleme mit dem FBI hat. Aber was mit Ihrem Team passiert ist, ist auf keinen Fall Randys Schuld. Das möchte ich klarstellen.«
»Und ich möchte klarstellen, dass Sie auf mich einen verdammt ehrlichen Eindruck machen und ich sehr gern wieder mal ein Bier mit Ihnen trinken würde, aber dass ich eine solche Behauptung nicht einfach so für bare Münze nehmen kann.«
Venables nickte verständnisvoll. »Nun, Sie wären wohl ein ziemlicher Idiot, wenn Sie alles glauben würden, was Sie hören.«
»Er hätte aussteigen können. Das habe ich überprüft. Das FBI hat ihm eine neue Identität mit voller Pension angeboten. Was glauben Sie, warum er es nicht angenommen hat?«
»Wie? Er sollte die nächsten vierzig Jahre damit verbringen, in einer blöden Kleinstadt im Mittelwesten seinen Rasen zu mähen? Das passt wirklich nicht zu Randy. Er musste einfach weitermachen. Auch wenn es komisch klingt, aber er war stolz auf seine Arbeit. Er dachte, er würde damit was Gutes tun.«
»Das seh ich genauso. Deshalb bin ich hier. Ich will die Wahrheit rausfinden. Wenn Cove was damit zu tun hatte, könnte ich auf die Idee kommen, mich genauso zu rächen, wie er es getan hat. Ich kann Ihnen da für nichts garantieren, ob Sie nun sein Freund sind oder nicht. Aber wenn er unschuldig ist, werde ich sein bester Kumpel sein. Und eins können Sie mir glauben, Sonny: Die meisten Leute wollen mich lieber zum Freund als zum Feind haben.«
Venables lehnte sich zurück und schien darüber nachzudenken. Dann gelangte er offenbar zu einem Entschluss und beugte sich wieder vor, während er beobachtete, wie die Billardspieler rauchten, Bier tranken und ihre Queues mit Kreide einrieben. Dann sprach er mit sehr leiser Stimme weiter. »Ich habe keine Ahnung, wo Randy steckt. Ich habe nichts mehr von ihm gehört, seit diese Sache passiert ist. Schon lange vorher nicht mehr, um genau zu sein.«
»Also hat er Ihnen nie erzählt, woran er gerade arbeitet?«
»Verstehen Sie, ich war sein Kontaktmann, als er das erste Mal in Washington war. Ich habe mich zwar mit ihm getroffen, als er wiederkam, aber sozusagen außer Dienst. Ich wusste, dass er an einer ziemlich großen Sache dran war, aber er hat mir nie gesagt, was es war.«
»Also standen Sie ihm nicht mehr so nahe wie früher?«
»Ich steh ihm so nahe, wie man jemandem wie Randy nahe stehen kann. Aber ich glaube, nach dem Tod seiner Familie hat er niemanden mehr richtig an sich rangelassen. Nicht einmal den alten Sonny Venables, der ihm damals auf dem Spielfeld immer wieder den Weg freigemacht hat.«
»Hat er jemals erwähnt, ob er jetzt einen anderen Kontaktmann zur Polizei hat?«
»Nein. Wenn, dann hätte er auf jeden Fall mich genommen.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Vor etwas über zwei Monaten.«
»Welchen Eindruck machte er da auf Sie?«
»Wortkarg, geistig abwesend. Eigentlich sah er überhaupt nicht gut aus.«
»Er war längere Zeit nicht mehr in seiner Wohnung. Das hat das FBI überprüft.«
»Ich hab nie gewusst, wo er wohnt. Wir haben uns immer an einem neutralen Ort getroffen, weil er seine Arbeit nicht gefährden wollte. Beim letzten Mal haben wir nur über die alten Zeiten geredet, wirklich. Ich glaube, er wollte einfach mal nur mit jemandem quatschen. Wenn ich irgendwas für ihn hätte weiterleiten sollen, hätte ich's getan.«
»Wie hat er sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt?«
»Er hat mich nie zu Hause angerufen. Nur in der Dienststelle. Hat jedes Mal einen anderen Namen benutzt. Und bei jedem Treffen nannte er mir einen Namen, unter dem er sich beim nächsten Mal melden würde, damit ich wusste, dass er es ist.«
»Und seitdem hat er sich nicht wieder gemeldet?« Web betrachtete den Mann aufmerksam. Venables schien ihm die Wahrheit zu sagen, aber man konnte sich nie sicher sein.
»Nein. Ich hab mir schon Sorgen um ihn gemacht. Bei seinem Job sind solche Sorgen nie unbegründet.«
Web lehnte sich zurück. »Also können Sie mir auch nicht dabei helfen, ihn ausfindig zu machen.«
Venables trank sein Bier aus. »Kommen Sie, wir gehen ein paar Schritte.«
Sie verließen das Lokal und spazierten die Straße entlang, auf der es sehr ruhig war. Der Arbeitstag war noch nicht vorbei, und die meisten Leute hockten wahrscheinlich noch in ihren Büros und zählten die Minuten, bis sie aufspringen
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