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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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es die beste Tageszeit, um aufzubrechen. Machen Sie mit, Mr London?« Sie schenkte ihm ein Lächeln, das alle Sorgen Webs wegwischte.
    Sie sattelten die Tiere. Gwen hatte sich für Baron entschieden, Web für ein kleineres Pferd namens Comet. Gwen erklärte ihm, dass Boo ein entzündetes Bein hatte.
    »Hoffentlich erholt er sich davon.«
    »Keine Sorge, Pferde sind sehr widerstandsfähig«, beruhigte Gwen ihn.
    Im Verlauf der nächsten anderthalb Stunden legten sie eine beträchtliche Strecke zurück, und während sie nebeneinander herritten, konnte Gwen nur daran denken, dass sie noch nie einen Menschen getötet hatte. Ja, sie hatte Nemo Strait in der vergangenen Nacht geblufft, aber konnte sie es wirklich, falls es dazu kommen sollte? Sie betrachtete Web verstohlen von der Seite und versuchte, in ihm ihren schlimmsten Feind zu sehen, ihren Fleisch gewordenen Albtraum. Doch das war überaus schwierig. Seit Jahren träumte sie davon, jeden Angehörigen dieser so genannten heldenhaften FBI-Truppe zu töten, von der ihr alle versichert hatten, sie wären die besten der besten. Dass sie ihren Sohn und die anderen Geiseln heil herausholen würden. Nun, sie hatten ihre Aufgabe, jede Geisel zu retten, erfüllt, nur ihr Sohn war auf der Strecke geblieben. Und dann hatte sie wutschnaubend zusehen müssen, wie Web Londons Gesicht in Zeitungen, Illustrierten, Fernsehshows erschien und seine heldenhaften Taten in allen nervtötenden Details geschildert wurden. Am Ende wurde ihm sogar vom Präsidenten persönlich ein Orden verliehen. Sie dachte nicht an seine grässlichen Verletzungen. Sie hatte keine Ahnung von den furchtbaren Leiden, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, um wieder ins HRT aufgenommen zu werden. Nichts von alledem hätte für sie irgendeine Bedeutung gehabt. Sie konnte an nichts anderes denken, als dass Web am Leben und ihr Sohn tot war. Ein schöner Held.
    Ja, der Anblick ihres Sohnes, wie er tot neben Web London lag, hatte irgendetwas in ihr zerbrechen lassen. Sie schien sich an das Knistern erinnern zu können, das durch jeden Nerv in ihrem Körper gelaufen war, als wäre sie von einem Blitz getroffen worden. Seitdem hatte es keinen Tag mehr gegeben, an dem sie ihren Sohn nicht blutüberströmt hatte auf dem Erdboden liegen sehen. Ebenso wenig konnte sie jemals das Bild von den Männern vergessen, die angetreten waren, um ihren Sohn zu retten, und es irgendwie geschafft hatten, jeden lebend herauszuholen bis auf ihn. Sie blickte wieder zu Web. Er war der Letzte in der Reihe. Ja, sie würde ihn töten. Und vielleicht würden danach ihre Albträume endlich aufhören.
    »Ich nehme an, Sie und Romano werden heute abreisen?«
    »Sieht so aus.«
    Gwen lächelte und schnippte mit einer Handbewegung eine Haarsträhne zurück. Sie umklammerte krampfhaft die Zügel,
    denn sie hatte das Gefühl, als würden ihre Hände jeden Moment zu zittern anfangen. »Haben Sie Ihre Arbeit erledigt?«
    »So in etwa. Wie geht es Billy?«
    »Ganz gut. Er hat schon mal seine Launen, so wie wir alle.«
    »Sie kommen mir aber nicht besonders launisch vor. Für mich sind Sie eher der Typ, der sich mit Gegebenheiten abfinden kann.«
    »Sie wären sicherlich manchmal überrascht.«
    »Das war gestern Abend eine verrückte Party.«
    »Billy weiß, wie man für Stimmung sorgt. Die Ransome- Brüder waren nicht gerade das, was ich erwartet hatte.«
    »Sie glauben doch nicht, dass das ihr richtiger Name ist, oder?«
    »Nicht eine Sekunde lang.«
    »Als ich sie das erste Mal kennen lernte, dachte ich, sie wären schwul. Das heißt, bis Sie den Raum betraten, und dann wurde sehr deutlich, wo ihre sexuellen Vorlieben liegen.«
    Gwen lachte. »Ich nehme das als Kompliment.«
    Sie ritten an der Öffnung zu dem kleinen Tal vorbei, in dem Gwens Kapelle stand.
    »Besuchen Sie heute nicht die Kapelle?«
    »Heute nicht.« Gwen löste den Blick von der Öffnung zwischen den Bäumen. Heute war kein Tag für Gebete. Doch als Web gerade nicht hinsah, bekreuzigte sie sich. Vergib mir, Herr, was ich tun will. Noch während sie die Worte im Geist aussprach, wusste sie, dass dieses Gebet nicht beantwortet werden würde.
    Sie erreichten einen steilen Abhang, dessen oberes Ende mit Bäumen bewachsen war. Sie hatte Web bisher noch nicht hierher geführt. Vielleicht hatte sie im Hinterkopf geahnt, dass dieser Tag irgendwann kommen würde.
    Gwen trieb Baron an und galoppierte den Hang hinauf. Web und Comet folgten ihr dichtauf. Schon nach wenigen Metern im

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