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Der Adler ist entkommen

Der Adler ist entkommen

Titel: Der Adler ist entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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daran nicht sattsehen. Sie genoß den Anblick der großen Schiffe in den Docks des Londoner Hafens und den lebhaften Verkehr der Schlepper und Frachter. Am Ende der Terrasse führte eine Holztreppe zu einem kleinen privaten Landungssteg hinunter. Dort lagen zwei Boote ihres Onkels. Ein Ruderboot und ein etwas größeres Fahrzeug, ein kleines Motorboot mit Kajüte. Als sie hinüberblickte, sah sie einen Mann, der eine Zigarette rauchte und Schutz vor dem Regen suchte. Er trug einen schwarzen Hut und einen ebensolchen Regenmantel. Neben ihm auf dem Steg stand ein Reisekoffer.
      »Was wollen Sie?« rief sie ungehalten. »Das hier ist Privatbesitz!«
      »Einen guten Tag wünsche ich, a colleen !« rief er fröhlich, nahm den Koffer und kam die Treppe herauf.
      »Wer sind Sie?« wollte sie wissen.
      Devlin lächelte. »Ich möchte zu Michael Ryan. Kennen Sie ihn vielleicht? Ich habe es an der Tür versucht. Es hat niemand
    aufgemacht.«
      »Ich bin seine Nichte Mary«, erwiderte sie. »Onkel Michael kommt erst später nach Hause. Er hatte Nachtschicht.«
      »Nachtschicht?« fragte Devlin erstaunt.
      »Ja, er fährt Taxi. Von zehn bis zehn. Zwölf Stunden.«
      »Ich verstehe.« Er schaute auf die Uhr. »Noch anderthalb Stunden.«
      Sie war etwas unsicher, wollte ihn nicht hereinbitten. Er spürte das. »Ich glaube nicht«, meinte sie, »daß ich Sie schon mal gesehen habe.«
      »Das überrascht mich nicht, ich bin gerade von Irland herübergekommen.«
      »Kennen Sie Onkel Michael von dort?«
      »O ja, wir waren alte Freunde. Ich heiße Conlon. Father Harry Conlon«, fügte er hinzu und öffnete den obersten Knopf seines Regenmantels, damit sie seinen Priesterkragen sehen konnte.
      Sie entspannte sich auf der Stelle. »Möchten Sie nicht hereinkommen und drinnen warten, Father?«
      »Ich glaube nicht. Ich mache einen kleinen Spaziergang und komme später wieder. Könnte ich denn meinen Koffer hierlassen?«
      »Natürlich.«
      Sie schloß die Küchentür auf, und er folgte ihr ins Haus, wo er den Koffer abstellte. »Kennen Sie zufälligerweise die St. Mary's Priory?«
      »Aber ja«, antwortete sie. »Sie gehen die Wapping High Street hinunter bis zur Wapping Wall. Das ist am Fluß unweit von den St. James' Stairs. Ich schätze eine Meile.«
      Er verließ die Küche und trat wieder hinaus. »Sie haben hier ja einen wundervollen Blick. Es gibt ein Buch von Charles Dickens, das damit beginnt, wie ein Mädchen und sein Vater in einem Boot über die Themse rudern und nach den Leichen der Ertrunkenen suchen, um ihnen die Taschen auszuräumen.«
      »Unser gemeinsamer Freund«, meinte die junge Frau. »Das Mädchen hieß Lizzie.«
      »Lieber Himmel, Kind, Sie sind aber belesen.«
      Sie strahlte ihn an. »Bücher sind mein ein und alles.«
      »Das finde ich schön.« Er tippte an seinen Hut. »Ich komme wieder.«
      Er ging die Terrasse hinunter, wobei seine Schritte auf den Dielen widerhallten, und sie schloß die Tür.
      Von der Wapping High Street aus war deutlich zu sehen, welche Schäden die deutschen Luftangriffe im Londoner Hafen hinterlassen hatten, und trotzdem war es erstaunlich, wieviel Betrieb dort unten herrschte und wie viele Schiffe im Hafen lagen.
      »Würde mich interessieren, was Adolf dazu sagen würde«, murmelte Devlin. »Das wäre für ihn sicher eine hübsche Überraschung.«
      Er hatte keine Schwierigkeiten, die St. Mary's Priory zu finden. Das Kloster stand auf der anderen Seite der Hauptstraße, direkt am Fluß. Man konnte die hohen Mauern aus grauem Stein erkennen, im Lauf der Jahre vom Schmutz der Stadt fast schwarz gefärbt, das Dach der Kapelle an der Flußseite und den Glockenturm, der es überragte. Interessanterweise stand die große Eichentür am Eingang weit offen.
      Ein Hinweisschild neben der Tür verkündete: » St. Mary's Priory. Die Kleinen Barmherzigen Schwestern. Priorin: Schwester Maria Palmer.« Devlin lehnte sich gegen die Mauer, zündete sich eine Zigarette an und wartete. Nach einiger Zeit erschien ein Pförtner in blauer Uniform. Er blieb auf der obersten Treppenstufe stehen, schaute aufmerksam die Straße entlang und ging wieder hinein.
      Zwischen dem Fluß und der Ufermauer gab es einen schmalen Streifen aus Schlamm und Kies. Ein kleines Stück weiter führten Treppen zum Fluß hinunter. Dorthin spazierte Devlin jetzt. Er stieg die Stufen hinunter und schlenderte über den Uferkies, wobei er sich die

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