Der Adler ist entkommen
deinem Rock so eng und mit zerzaustem Haar, die Beine von Verheißung schwer.«
Ein boshaftes Grinsen spielte um seine Lippen, und sie boxte ihm mit der geballten Faust spielerisch in die Seite. »Das ist ja furchtbar.«
»Ich habe Sie gewarnt.« Er zündete die Zigarette an. »In einem guten Gedicht wird in wenigen Zeilen alles Nötige ausgedrückt.«
»Na schön, und was würde auf mich passen?«
»Das ist einfach. ›Eile, Reisende, folge deinem Ruf, auf daß du suchst und findest, was dir teuer‹.«
»Das ist wunderschön«, sagte sie. »Stammt das von Ihnen?«
»Nicht ganz. Ein Yankee namens Walt Whitman ist vor mir
draufgekommen.« Es begann zu regnen, und er legte eine Hand auf ihren Arm. »Aber ich wünschte, ich hätte es für Sie geschrieben. Fahren wir weiter.« Und sie liefen zum Wagen zurück.
In seiner Wohnung über dem Astoria saß Jack Carver am Tisch beim Fenster und nahm ein spätes Frühstück ein, als Eric hereinkam. Sein Ohr war von einem dicken Verband bedeckt, und ein Heftpflasterstreifen verlief quer über seine Stirn, damit die Mullbinde nicht herunterrutschte. Er sah schrecklich aus.
»Wie geht es dir?« fragte Carver.
»Furchtbar, Jack, die Schmerzen sind schlimm. Aziz hat mir ein paar Tabletten gegeben, aber die scheinen keine große Wirkung zu haben.«
»Er erzählte mir, daß es George ziemlich schlimm erwischt hat. Die Kugel hat den Knochen durchschlagen. Möglicherweise bleibt der Arm für immer steif, genauso wie das Bein.«
Eric schenkte sich Kaffee in eine Tasse. Dabei zitterte seine Hand. »Dieses miese Schwein, Jack. Wir müssen ihn irgendwie schnappen. Und dann machen wir ihn fertig.«
»Wir kriegen ihn schon, Kleiner«, sagte Jack. »Und dann sind wir am Drücker. Ich habe seine Beschreibung überall in London verteilt. Irgendwann taucht er wieder auf. Und jetzt trink deinen Kaffee und iß etwas.«
Dank der Straßenkarte fand Ryan Charbury ohne Schwierigkeiten, und eine Nachfrage im kleinen Laden des Dorfs brachte sie schließlich zum Anwesen Shaw Place. Die verrosteten Flügel des gußeisernen Tors an der Einfahrt standen weit offen. Auf dem Fahrweg, der zum alten Haus führte, wucherte das Gras aus den Ritzen zwischen den Pflastersteinen.
»Dieser Bau hat auch schon mal bessere Tage gesehen«, bemerkte Ryan.
Devlin stieg aus, öffnete die Hecktür des Kombiwagens und holte das Funkgerät und die Fahrradlampen heraus. »Ihr könnt mich hier absetzen«, sagte er. »Das Stück zum Haus gehe ich zu Fuß.«
»Wann sollen wir dich wieder abholen?« fragte Ryan.
»Sagen wir in vier Stunden. Wenn ich dann noch nicht hier bin, wartet. Seht euch Rye oder einen der anderen Orte in der Umgebung an.«
»In Ordnung«, sagte Ryan. »Paß auf dich auf, Liam.« Und er wendete und fuhr davon.
Devlin griff nach dem Holzkasten und schlenderte über die Einfahrt. Das Haus zeigte deutlich, wie sehr es an Geld fehlte. Die Läden an den Fenstern brauchten dringend einen neuen Anstrich, desgleichen die Haustür. Eine Kette hing neben der Tür. Sie schien zu einer Glocke zu gehören. Er zog daran und wartete, aber es erfolgte keine Antwort. Nach einer Weile nahm er den Kasten wieder hoch, ging um das Haus herum und gelangte zur Rückfront, wo sich ein gepflasterter Hof befand. Eine der Stalltüren stand offen, und aus dem Inneren drangen Geräusche, die darauf schließen ließen, daß dort jemand tätig war. Er stellte den Kasten ab und warf einen Blick in den Stall.
Lavinia Shaw trug Reithose und -Stiefel und ein Kopftuch. Sie war gerade damit beschäftigt, einen großen schwarzen Hengst zu striegeln. Devlin steckte sich eine Zigarette in den Mund und ließ sein Feuerzeug aufschnippen. Das Geräusch ließ die Frau zusammenzucken und herumfahren.
»Miss Lavinia Shaw?« fragte er.
»Ja.«
»Harry Conlon. Ich habe gestern Ihren Bruder angerufen. Er erwartet mich.«
»Major Conlon!« Eine plötzliche Lebhaftigkeit erfaßte sie. Sie legte Bürste und Striegelkamm beiseite und wischte die Hände an ihren Reithosen ab. »Natürlich. Wie schön, daß Sie
endlich da sind.«
Die kultivierte Aussprache, ihr ganzes Auftreten, all das mutete Devlin reichlich seltsam an. Doch er ergriff die Hand, die sie ihm reichte, und lächelte. »Sehr angenehm, Miss Shaw.«
»Maxwell ist mit dem Gewehr irgendwo draußen im Moor. Er geht jeden Tag auf die Jagd. Sie wissen ja sicher, wie es ist. Die
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