Der Adler ist gelandet
Schrank unter dem Kartentisch und brachte einen weißen Navy-Wimpel zum Vorschein. »Und außerdem hissen wir den da, nicht wahr?«
Radl nickte. »Funkstille vom Augenblick des Auslaufens an. Darf unter keinen Umständen gebrochen werden, ehe Sie von Devlin hören. Sie kennen natürlich das Code-Zeichen?« »Selbstverständlich, Herr Oberst.«
König war betont höflich, und Radl schlug ihm auf die Schulter. »Ja, ja, ich weiß schon, für Sie bin ich ein nervöser alter Knacker. Ich sehe Sie morgen noch vor dem Auslaufen. Von Oberstleutnant Steiner verabschieden Sie sich besser schon jetzt.«
Steiner schüttelte den beiden Seeleuten die Hände. »Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll, höchstens: Seid um Gottes willen pünktlich.« König grüßte zackig. »Wir werden da sein, Herr Oberstleutnant, Ehrenwort.«
Steiner grinste sarkastisch. »Das will ich auch verdammt hoffen.« Er machte kehrt und folgte Radl nach draußen. Als sie über die Sandmole zum Wagen gingen, sagte Radl: »Na, wird es klappen?«
In diesem Augenblick näherten sich Werner Briegel und Gerhard Klugl von den Dünen her. Sie trugen wasserdichtes Zeug, und Briegel hatte das Zeissglas umgehängt.
»Mal sehen, was die dazu meinen«, schlug Steiner vor und
rief auf englisch: »Soldat Kunicki! Soldat Moczar! Kommen Sie her!« Briegel und Klugl folgten dem Ruf ohne Zögern. Steiner blickte sie eine Weile ruhig an und fuhr in englischer Sprache fort: »Wissen Sie, wer ich bin?« »Lieutenant-Colonel Howard Carter, Kommandeur der Unabhängigen Polnischen Fallschirmspringer-Schwadron, Special Air Service Regiment«, erwiderte Briegel prompt in ordentlichem Englisch. Radl wandte sich lächelnd zu Steiner: »Ich bin beeindruckt.« Steiner sagte: »Was machen Sie hier?«
»Feldwebel Brandt«, begann Briegel, und verbesserte sich hastig: »Sergeant-Major Kruczek hat uns Ausgang gegeben.« Er zögerte und ergänzte dann auf deutsch: »Wir halten Ausschau nach Haubenlerchen, Herr Oberstleutnant.« »Haubenlerchen?« sagte Steiner.
»Ja, sie sind ganz leicht zu erkennen. Glänzend schwarz mit gelber Zeichnung an Kopf und Kehle.«
Steiner lachte schallend auf. »Haben Sie das gehört, mein lieber Max? Haubenlerchen! Wie kann da noch was schiefgehen?«
Doch die Elemente schienen entschlossen, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Bei Einbruch der Dunkelheit lag noch immer dichter Nebel über dem größten Teil Westeuropas. In Landsvoort war Gericke von sechs Uhr an ständig auf Posten, doch trotz des heftigen Regens lichtete der Nebel sich nicht im geringsten.
»Kein Wind, das ist es«, berichtete er Steiner und Radl um acht Uhr. »Und den brauchen wir, wenn diese verdammte Waschküche sich auflösen soll. Jede Menge Wind.«
Jenseits der Nordsee in Norfolk stand es nicht besser. In ihrem verborgenen Kämmerchen auf dem Dachboden des Landhauses saß Joanna Grey am Funkempfänger. Sie hatte die Kopfhörer auf und vertrieb sich die Wartezeit mit der Lektüre eines Buches, das Voreker ihr geliehen hatte. Darin beschrieb Winston Churchill seine Flucht aus einem Gefangenenlager während des Burenkriegs. Es war wirklich packend, und sie konnte sich einer widerwilligen Bewunderung nicht enthalten. In Hobs End blickte Devlin ebensooft zum Himmel auf wie Gericke in Landsvoort, aber auch hier änderte sich nichts, der Nebel war so undurchdringlich wie eh und je. Um zehn Uhr wanderte er zum viertenmal an diesem Abend auf den Deich hinaus, doch auch dort schien keine Besserung der Wetterverhältnisse abzusehen.
Er ließ seine Taschenlampe in der Dunkelheit aufblitzen, dann schüttelte er den Kopf und sagte leise zu sich selbst: »Die richtige Nacht für ein lichtscheues Unternehmen, das wenigstens muß man zugeben.«
Es schien auf der Hand zu liegen, daß der ganze Plan ins Wasser fallen würde, und auch in Landsvoort konnte man sich dieser Einsicht kaum noch verschließen. »Wollen Sie vielleicht sagen, daß Sie nicht starten können?« fragte Radl, als Gericke von einem weiteren Rundgang wieder in den Hangar zurückkam.
»Das wäre kein Problem«, erwiderte der junge Hauptmann. »Ich kann blind starten, nicht weiter gefährlich in einer so völlig ebenen Landschaft. Die Schwierigkeit liegt am anderen Ende. Ich kann diese Leute doch nicht einfach abwerfen und das Beste hoffen, während wir womöglich noch anderthalb Kilometer von der Küste entfernt über der See sind. Ich muß das Ziel sehen, und wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.«
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