Der Adler ist gelandet
Böhmler öffnete das Türchen in einem der großen Hangartore und linste herein. »Herr Hauptmann.« Gericke trat zu ihm. »Was ist los?« »Sehen Sie selbst.«
Gericke trat ins Freie. Böhmler hatte die Außenlampe angeschaltet, und trotz der Dunkelheit sah Gericke, daß der Nebel sich in wunderlichen Figuren drehte. Etwas streifte kalt seine Wange. »Wind!« rief er. »Mein Gott, es kommt Wind auf!« Plötzlich zerriß der Vorhang, und er konnte sekundenlang das Bauernhaus sehen. Undeutlich, aber er sah es. »Geht's los?« fragte Böhmler. »Ja«, erwiderte Gericke. »Aber es muß jetzt sofort sein.« Und er machte kehrt und eilte zurück in den Hangar, um Steiner und Radl zu informieren.
Zwanzig Minuten später, um Punkt elf Uhr, richtete Joanna Grey sich jäh auf, als es in den Kopfhörern zu summen begann. Sie ließ das Buch fallen, nahm einen Bleistift und schrieb auf den Block, den sie vor sich liegen hatte. Es war eine kurze Nachricht, die sie in Sekundenschnelle dechiffriert hatte. Wie gebannt saß sie da und starrte auf das Geschriebene, dann bestätigte sie den Eingang. Sie lief rasch hinunter und nahm den Schaffellmantel vom Haken. Der Jagdhund schnüffelte an ihren Fersen. »Nein, Patch, diesmal nicht«, sagte sie.
Sie mußte wegen des Nebels vorsichtig fahren, und es dauerte zwanzig Minuten, bis sie in den Hof in Hobs End einbog. Devlin stand am Küchentisch und machte sein Waffenarsenal schußbereit, als er den Wagen hörte. Er griff schnell nach der Mauser und trat in den Korridor hinaus. »Ich bin's, Liam«, rief Joanna.
Er öffnete, und sie schlüpfte ins Haus. »Was gibt's denn?« fragte er. »Soeben erhielt ich eine Funkmeldung aus Landsvoort. Die Durchsage erfolgte um Punkt elf Uhr«, sagte sie. »Der Adler ist gestartet.« Er starrte sie ungläubig an. »Die Burschen müssen verrückt geworden sein. Der Nebel über dem Strand ist die reinste Erbsensuppe.« »Mir war, als habe er sich ein wenig gelichtet, als ich den Deich entlangfuhr.«
Er ging rasch hinaus und öffnete die Vordertür. Im Handumdrehen war er wieder zurück, bleich vor Aufregung. »Von der See her ist Wind aufgekommen, nicht viel, aber er könnte sich verstärken.«
»Glauben Sie nicht, daß er anhält?« sagte sie.
»Das weiß Gott.« Das Schnellfeuergewehr mit Schalldämpfung lag zusammenmontiert auf dem Tisch, und er reichte es ihr »Können Sie mit so einem Ding umgehen?« »Natürlich.«
Er nahm einen bauchigen Rucksack auf und hängte ihn sich um. »Also, dann ziehen wir beide jetzt los. Wir haben allerhand zu erledigen. Wenn Ihre Zeitberechnung stimmt, dann müssen sie in vierzig Minuten über unserm Strand sein.« Als sie hinaus in den Korridor traten, lachte er hart auf. »Bei Gott, die sind wirklich eisern, das muß man ihnen lassen.« Er öffnete die Tür, und beide verschwanden im Nebel.
»Ich an Ihrer Stelle würde die Augen zumachen«, meinte Gericke fröhlich zu seinem Beobachter Böhmler, während er ein letztes Mal vor dem Start die donnernd warmlaufenden Motoren prüfte. »Diesmal wird's ziemlich mulmig.« Die Baken am Rollweg waren angezündet, aber man konnte nur die ersten paar sehen. Sichtweite war noch immer höchstens fünfunddreißig bis vierzig Meter.
Die Tür ging auf, und Steiner steckte den Kopf ins Cockpit.
»Alles angeschnallt, da hinten?« fragte Gericke. »Alles und jedes. Wir sind fertig, wenn Sie's auch sind.« »Gut. Ich möchte nicht unken, aber ich muß darauf aufmerksam machen, daß alles mögliche passieren kann und wahrscheinlich auch passiert.« Er brachte die Motoren auf Touren, und Steiner grinste. Er mußte brüllen, um sich verständlich zu machen. »Wir haben vollstes Vertrauen zu Ihnen.« Dann schloß er die Tür und ging wieder nach hinten. Gericke gab sofort noch mehr Gas und ließ die Dakota anrollen. Blindlings in diese graue Mauer zu rasen war wohl das Haarsträubendste, was er in seinem ganzen Leben getan hatte. Er brauchte einen Rollweg von mehreren hundert Metern und zum Abheben eine Geschwindigkeit von ungefähr einhundertdreißig Stundenkilometern.
»Mein Gott«, dachte er. »Ist es jetzt soweit? Ist es jetzt endlich soweit?« Die Erschütterung, die das Flugzeug durchlief, schien unerträglich. Das Heck kam mühsam hoch, als er den Steuerknüppel nach vorn drückte. Ein leichter Seitenwind drängte die Maschine nach Steuerbord, und er glich mit dem Ruder aus.
Das Gebrüll der Motoren schien die Nacht zu sprengen. Bei einhundertdreißig nahm er ein bißchen
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