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Der Adler ist gelandet

Der Adler ist gelandet

Titel: Der Adler ist gelandet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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herunterrollen. Mit der einen Hand faßte er nach der Reling, die andere hielt Neumanns Rettungsleine umklammert.

    Die Welle ebbte zurück und nahm den Torpedo mit. Steiner kam auf die Füße und stieg das schräggeneigte Deck bis zum schwer beschädigten Ruderhaus hinauf. Er zwängte sich durch die zerbrochene Tür und hievte seinen Kameraden hinter sich her. Sie kauerten sich in dem dachlosen Gehäuse nieder. Es begann leise zu regnen. »Wie geht's jetzt weiter?« fragte Neumann schwach. »Erst mal sitzen wir sicher«, sagte Steiner. »Sobald sich der Nebel ein bißchen lichtet, fährt Brandt mit dem Rettungsboot aus.« »Ich könnte eine Zigarette gebrauchen«, sagte Neumann. Dann verstummte er und wies durch die Türöffnung aufs Meer. »Sehen Sie sich das an.«
    Steiner ging zur Reling. Die ablaufenden Wasser waren stark bewegt, sie strudelten und wirbelten zwischen den Riffen und Felsen und schoben in einiger Entfernung den Rückstand des Krieges mit sich, einen schwimmenden Teppich aus Wrackteilen, alles, was von der Joseph Johnson übriggeblieben war.
    »Also Volltreffer«, sagte Neumann. Dann versuchte er, aufzustehen. »Da hinten schwimmt einer, Herr Oberst, in einer gelben Schwimmweste. Dort, hinter dem Heck.«
    Steiner rutschte über das Deck ins Wasser und bahnte sich durch ein Gewirr von Planken einen Weg zu dem Mann, der dort mit geschlossenen Augen und zurückgeworfenem Kopf auf dem Meer trieb. Er war sehr jung, das blonde Haar klebte am Schädel. Steiner packte die Schwimmweste und versuchte, ihn auf das zertrümmerte Achterdeck zu ziehen. Der Mann schlug die Augen auf und starrte ihn an. Dann schüttelte er den Kopf und versuchte zu sprechen.
    Steiner schwamm eine Weile neben ihm. »Was ist los?« fragte er auf englisch.
    »Bitte«, flüsterte der Junge, »lassen Sie mich.«
    Seine Augen schlossen sich wieder, und Steiner schwamm mit ihm zum Achterdeck. Neumann sah, wie Steiner ihn auf das abschüssige Deck zu ziehen begann. Er hielt inne, blieb lange bewegungslos, dann stieß er den Jungen sanft ins Wasser zurück. Eine Strömung trug das Bündel um den Felsenvorsprung und außer Sicht, und Steiner kletterte wieder auf Deck. »Was war mit ihm?« fragte Neumann schwach.
    »Beide Beine an den Knien abgerissen.« Steiner setzte sich sehr vorsichtig nieder und stemmte die Füße gegen die Reling. »Wie war dieses Gedicht von Eliot, das Sie in Stalingrad immer zitiert haben? Das ich nicht mochte?«
    »›Ich denke, wir sind auf der Rattenzeil. Dort wo die Toten ihr Gebein verloren.‹ Ist aus ›Das wüste Land‹.«
    »Jetzt verstehe ich es«, sagte Steiner. »Jetzt weiß ich genau, was er sagen wollte.«
    Sie saßen schweigend da. Es war jetzt kälter, und der Regen wurde heftiger und wusch den Nebel fort. Nach etwa zwanzig Minuten hörten sie nicht sehr weit entfernt einen Motor. Steiner zog die kleine Signalpistole aus der Tasche an seinem rechten Hosenbein, lud sie mit einer Leuchtpatrone und gab einen Schuß ab.
    Wenige Sekunden später tauchte die Rettungsbarkasse auf, verlangsamte ihre Fahrt und hielt auf sie zu. Hauptfeldwebel Brandt stand im Bug, eine Leine wurfbereit in der Hand. Er war ein Koloß von Mann, weit über einsachtzig groß und entsprechend breit, und trug seltsamerweise eine gelbe Ölhaut mit der Aufschrift Royal National Lifeboat Institution auf dem Rücken. Die restliche Besatzung bestand aus Steiners Leuten. Unteroffizier Sturm am Ruder, außerdem Gefreiter Briegel und Schütze Berg. Brandt sprang auf das abschüssige Deck des Wracks und vertäute die Leine an der Reling, während Steiner und Neumann zu ihm hinunterrutschten.
    »Sie haben ein Schiff versenkt, Herr Oberstleutnant. Was ist mit Lemke?«
    »Hat wieder mal den Helden gespielt«, berichtete Steiner. »Aber dieses Mal hat er's zu weit getrieben. Vorsicht mit Leutnant Neumann. Hat ein Riesenloch im Kopf.«
    »Unteroffizier Altmann ist mit Riedel und Meyer im anderen Boot hinaus. Vielleicht finden sie eine Spur von ihm. Der Kerl hat noch immer Dusel gehabt.« Brandt hob Neumann mit erstaunlicher Kraft über die Reling. »Tragt ihn in die Kabine.«
    Aber Neumann wollte nicht, er ließ sich zu Boden fallen und stemmte den Rücken an die Heckreling. Steiner setzte sich neben ihn, und Brandt gab ihnen Zigaretten, während das Motorboot abdrehte. Steiner war müde. So müde, wie schon lange nicht mehr. Fünf Jahre Krieg. Manchmal schien es, als gäbe es nichts anderes, ja, als hätte es niemals etwas anderes gegeben.
    Sie

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