Der Adler ist gelandet
dienstfrei, nicht wahr?«
»Ich möchte lieber warten, bis der Herr Oberst zurückkommt«, sagte Hofer. Radl schlug ihm auf die Schulter. »Also, bringen wir's hinter uns.«
Eine Ordonnanz brachte dem Admiral gerade Kaffee, als Radl das Büro betrat. »Ah, da sind Sie ja, Radl«, sagte Canaris erfreut. »Trinken Sie eine Tasse mit?«
»Vielen Dank, Herr Admiral.«
Die Ordonnanz füllte eine zweite Tasse, zog die Vedunkelungsvorhänge zu und ging hinaus. Canaris ließ sich seufzend in seinen Sessel zurücksinken und griff hinunter, um einem seiner Dackel die Ohren zu kraulen. Er schien müde zu sein, die Augen verrieten große Anspannung. »Sie sehen müde aus, Herr Admiral«, sagte Radl. »Sie würden genauso aussehen, wenn Sie den ganzen Nachmittag mit Ribbentrop und Goebbels zusammengesperrt gewesen wären. Diese zwei werden wirklich von Mal zu Mal unerträglicher. Laut Goebbels gewinnen wir den Krieg noch immer. Haben Sie je etwas Absurderes gehört?« Radl wußte nicht, was er sagen sollte, aber die Antwort blieb ihm erspart, denn der Admiral sprach schon weiter. »Und weshalb wollten Sie mich sprechen?«
Radl legte Hofers getipptes Expose auf den Schreibtisch, und Canaris begann zu lesen. Nach einer Weile blickte er sichtlich bestürzt auf. »Was, um Gottes willen, soll das sein?«
»Die Durchführbarkeits-Analyse, die Sie angefordert haben, Herr Admiral. Die Churchill-Sache. Ich sollte sie schriftlich ausarbeiten.« »Ach ja.« Der Admiral schien sich jetzt zu erinnern und blickte wieder auf das Blatt. Nach einer Weile lächelte er. »Ja, sehr gut, Radl. Völlig irre, natürlich, aber auf dem Papier scheint der Wahnsinn immerhin Methode zu haben. Verwahren Sie es griffbereit, falls Himmler eines Tages den Führer veranlaßt, mich zu fragen, ob wir daran gearbeitet haben.« »Sie meinen, das ist alles, Herr Admiral?« fragte Radl. »Sie möchten nicht, daß ich das Projekt weiter verfolge?«
Canaris hatte eine Akte aufgeschlagen und blickte Radl jetzt mit sichtlicher Überraschung an. »Mein lieber Radl, ich glaube, Sie haben's noch nicht ganz erfaßt. Bei diesem Spiel heißt es: Je absurder die Idee eines Vorgesetzten, um so leidenschaftlicher ist auf sie einzugehen. Stürzen Sie sich mit aller, natürlich nur vorgegebenen, Begeisterung in die Arbeit. Lassen Sie die Schwierigkeiten nach und nach gerade so weit durchblicken, daß den Herrn und Meistern die Unmöglichkeit der Sache von selbst aufgeht. Da niemand sich gern einen Fehlschlag leistet, wenn er ihn irgend vermeiden kann, wird das ganze Projekt sang- und klanglos begraben.« Er lachte leise und tippte mit einem Finger auf das Expose. »Glauben Sie mir, sogar der Führer müßte vollends weggetreten sein, damit er dieser Sache noch die geringste Chance zubilligte.«
Radl hörte sich sagen: »Es wäre zu machen, Herr Admiral. Ich habe sogar den richtigen Mann dafür.«
»Davon bin ich überzeugt, wenn Sie nur annähernd so gründlich waren wie sonst.« Er schob das Expose über den Schreibtisch. »Ich sehe schon, Sie haben das Ganze viel zu ernst genommen. Vielleicht haben meine Äußerungen über Himmler Sie beunruhigt. Aber seien Sie unbesorgt, ich werde schon mit ihm fertig. Was Sie hier schriftlich niedergelegt haben, genügt, um es ihnen in den Rachen zu stopfen, wenn die Sache nochmals aufs Tapet kommen sollte. Und Sie haben jetzt eine Menge anderes zu tun, wirklich Wichtiges.«
Er nickte verabschiedend und nahm die Feder auf. Radl sagte eigensinnig: »Aber, Herr Admiral, wenn es der Führer doch wünscht...« Canaris wurde ärgerlich, er warf die Feder hin. »Gott im Himmel, Mann, Churchill töten, wenn wir den Krieg bereits verloren haben? Wozu soll das jetzt noch gut sein?«
Er war aufgesprungen, stemmte beide Hände auf die Tischplatte und beugte sich vor. Radl hatte Haltung angenommen und starrte hölzern eine Handbreit über den Kopf des Admirals hinweg ins Leere. Canaris errötete, als ihm klar wurde, daß er zu weit gegangen war, daß sein Zornausbruch an Hochverrat grenzte und er seine Worte nicht mehr zurücknehmen konnte. »Rühren«, sagte er.
Radl befolgte den Befehl. »Herr Admiral.« »Wir kennen uns schon ziemlich lang, nicht wahr, Radl.« »Jawohl, Herr Admiral.«
»Dann haben Sie Vertrauen zu mir. Ich weiß, was ich tue.« »Zu Befehl, Herr Admiral«, sagte Radl zackig.
Er trat zurück, schlug die Hacken zusammen, machte kehrt und ging hinaus. Canaris blieb stehen, die Hände immer noch auf den Schreibtisch gestemmt.
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