Der Adler ist gelandet
»Herr Oberst«, sagte er und machte keine Anstalten zu einem Händedruck.
Neuhoff, beunruhigter denn je, sagte hastig: »Wenn Sie mir bitte folgen würden, meine Herren.«
Drinnen arbeiteten drei Schreibkräfte an der Mahagonitheke. Hinter ihnen an der Wand hing ein neues Plakat des Propagandaministeriums. E zeigte einen Adler mit dem Hakenkreuz in den Klauen und stolz gebreiteten Schwingen über der Inschrift: Am Ende steht der Sieg! »Mein Gott«, sagte Devlin leise. »Manche Leute kapieren's nie.« Ein Feldjäger stand vor der Tür des ehemaligen Direktionsbüros Wache Neuhoff führte seine Besucher hinein. Es war dürftig möbliert, mehr Arbeitszimmer als Repräsentationsraum. Neuhoff brachte zwei Stühle. Radl nahm Platz, Devlin hingegen zündete sich eine Zigarette an und stellte sich ans Fenster.
Neuhoff blickte unsicher zu ihm hinüber und versuchte zu lächeln. »Darf ich den Herren etwas zu trinken anbieten? Schnaps oder vielleicht einen Cognac?«
»Ehrlich gesagt würde ich am liebsten sofort zum Geschäft kommen«, erwiderte Radl.
»Ganz wie Sie wünschen, Herr Radl.«
Radl knöpfte seinen Waffenrock auf, nahm den Umschlag aus der inneren Brusttasche und zog das Schreiben hervor. »Bitte lesen Sie.« Neuhoff nahm das Blatt, blickte es ehrfürchtig an und überflog den Inhalt. »Führerbefehl.« Er sah zu Radl auf. »Aber ich verstehe nicht. Was wünschen Sie von mir?«
»Ihre volle Unterstützung, Herr Neuhoff«, sagte Radl. »Und keine Fragen. Sie haben doch eine Strafeinheit hier. Operation Schwertfisch.« Devlin bemerkte sofort den neuen Argwohn in Neuhoffs Augen, der Oberst schien zu erstarren. »Ja, Herr Radl, das stimmt. Unter Führung von Oberstleutnant Steiner von den Fallschirmjägern.« »So wurde mir berichtet«, sagte Radl. »Oberstleutnant Steiner, ein Leutnant Neumann und neunundzwanzig Fallschirmjäger.« Neuhoff berichtigte ihn. »Oberstleutnant Steiner, Leutnant Neumann und vierzehn Fallschirmjäger.«
Radl starrte ihn überrascht an. »Was sagen Sie? Wo sind die übrigen?« »Tot, Herr Radl«, sagte Neuhoff schlicht. »Ist Ihnen Operation Schwertfisch bekannt? Wissen Sie, was diese Männer tun? Sie reiten auf Torpedos und...«
»Ich bin im Bilde.« Radl stand auf, nahm den Führerbefehl wieder an sich und steckte ihn in den Umschlag zurück. »Sind für heute noch Einsätze geplant?«
»Das kommt darauf an, ob wir Radarkontakt bekommen.« »Schluß damit«, sagt Radl. »Wird eingestellt, und zwar augenblicklich.« Er hielt den Umschlag hoch. »Mein erster Befehl im Rahmen dieser Vollmacht.«
Jetzt lächelte Neuhoff. »Einen solchen Befehl erfülle ich mit Freuden.« »Verstehe«, sagte Radl. »Sie sind mit Oberstleutnant Steiner befreundet?«
»Ich habe die Ehre«, sagte Neuhoff. »Wenn Sie den Mann kennen würden, wüßten Sie, was ich meine. Dazu kommt noch, daß jemand mit Steiners ungewöhnlichen Fähigkeiten dem Reich lebend mehr nützen kann als tot.«
»Genau deshalb bin ich hier«, sagte Radl. »Also, wo kann ich ihn finden?«
»Kurz vorm Hafen ist ein Gasthaus. Dort haben Steiner und seine Leute ihr Quartier aufgeschlagen. Ich bringe Sie hin.« »Nicht nötig«, sagte Radl. »Ich möchte ihn allein sprechen. Ist es weit?«
»Ein paar hundert Meter.«
»Gut, dann gehen wir zu Fuß.«
Neuhoff stand auf. »Können Sie schon sagen, wie lange Sie hierbleiben werden?«
»Der Fieseler Storch wird uns morgen in aller Frühe abholen«, sagte Radl. »Wir müssen den Flugplatz auf Jersey unbedingt bis elf Uhr erreichen. Dann geht nämlich unsere Maschine in die Bretagne ab.« »Ich werde für Sie und... und Ihren Begleiter Unterkunft besorgen«, sagte Neuhoff mit einem neuerlichen Seitenblick auf Devlin. »Und würden Sie heute mit mir zu Abend essen? Meine Frau würde sich freuen, und vielleicht könnte Oberstleutnant Steiner auch dabeisein.« »Ausgezeichnete Idee«, sagte Radl. »Mit größtem Vergnügen.« Als sie die Victoria Street entlanggingen, vorbei an den leeren Häusern und den heruntergelassenen Rolläden der Geschäfte, sagte Devlin: »Was ist denn in Sie gefahren? Sie haben ja markige Töne angeschlagen. Sticht uns der Hafer heute, wie?«
Radl lachte und sah ein wenig beschämt aus. »Sooft ich dieses verdammte Schreiben raushole, kriege ich ein ganz komisches Gefühl. Ein Gefühl von... von Macht. Ich komme mir vor wie der Hauptmann in der Bibel, der zu dem einen sagt: Gehe hin! so geht er, und zum anderen: Komm her! so kommt er.«
Als sie in die Braye
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