Der Adler ist gelandet
gefunden?«
»Noch nicht, aber sie suchen weiter. Außerdem ist ein Rettungsboot in dieser Gegend.«
Er schob ein Kistchen aus Sandelholz über den Schreibtisch. Es enthielt sehr lange, bleistiftdünne holländische Zigarren. Gericke bediente sich. Adler sagte: »So besorgt? Soviel Nächstenliebe hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.«
»Darum geht's auch nicht«, erwiderte Gericke offen, während er ein Streichholz an seine Zigarre hielt, »aber morgen könnte ich an seiner Stelle sein. Ein tröstlicher Gedanke, daß diese Rettungsburschen auf Zack sind.«
Als er sich zum Gehen wandte, sagte Adler: »Oberst Prager möchte Sie sprechen.«
Oberst Prager war Gruppenkommandeur von Grandjeim und für drei Staffeln, einschließlich der Gerickes, verantwortlich. Er hielt streng auf Disziplin und war glühender Nationalsozialist, zwei Eigenschaften, von denen Gericke keine besonders sympathisch fand. Für Prager sprach, daß er selbst ein erstklassiger Pilot war und ihm das Wohl der Flugzeugbesatzungen in seiner Gruppe über alles ging. »Was will er von mir?«
Adler zuckte die Achseln. »Kann ich nicht sagen, aber am Telefon betonte er ausdrücklich, ich solle Sie so bald wie irgend möglich zu ihm schicken.«
»Ich weiß es«, sagte Böhmler. »Göring hat angerufen. Lädt dich fürs Wochenende nach Karinhall ein. Ist auch höchste Zeit!« Der Reichsmarschall legte als ehemaliger Flieger Wert darauf, den Piloten der Luftwaffe, denen das Ritterkreuz verliehen wurde, die Auszeichnung persönlich zu überreichen.
»Ich hab's aufgegeben«, knurrte Gericke. Männer, die weniger Abschüsse verbuchen konnten als er, hatten die begehrte Halskrause längst erhalten. Es war entschieden ein wunder Punkt.
»Nur Geduld, Gericke«, rief Adler ihnen nach. »Sie kommen schon noch dran.«
»Wenn ich lange genug lebe«, sagte Gericke zu Böhmler, als sie auf den Stufen zum Haupteingang der Flugleitung standen. »Wie wär's mit einem Schluck?«
»Nein, danke«, erwiderte Böhmler. »Ein heißes Bad und acht Stunden Schlaf sind alles, was ich jetzt brauche. Für Alkohol ist es mir noch zu früh, auch wenn's schon spät ist.«
Haupt gähnte bereits, und Gericke brummte verdrossen: »Verdammter Lutheraner. Na schön, ihr könnt mich beide...«
Als er weggehen wollte, rief Böhmler: »Vergiß nicht, daß Prager dich sprechen will.«
»Später«, sagte Gericke. »Ich gehe später zu ihm.« »Er bettelt direkt drum«, bemerkte Haupt, während sie ihm nachsahen. »Was hat er bloß in letzter Zeit?«
»Was wir alle haben, zu viele Starts und zu viele Landungen«, erwiderte Böhmler.
Gericke schlug müde den Weg zum Offizierskasino ein, seine Fliegerstiefel tappten auf dem Makadam. Er fühlte sich unerklärlich deprimiert, schlapp, einfach am Ende. Seltsam, daß dieser Tommi, der einzige Überlebende aus der Lancaster, ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte. Er brauchte unbedingt was zu trinken. Eine Tasse sehr heißen Kaffee und dazu einen Schnaps, vielleicht einen Steinhäger.
Er betrat den Vorraum, und der erste Mensch, den er sah, war Oberst Prager. Er saß mit einem anderen Offizier in der gegenüberliegenden Ecke in einem Lehnstuhl. Die beiden steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich leise. Gericke zögerte, am liebsten hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht, denn der Gruppenkommandeur war in puncto Fliegerkleidung im Kasino besonders scharf. Prager blickte auf und sah ihn. »Da sind Sie ja, Gericke. Setzen Sie sich zu uns.« Er schnalzte mit den Fingern und bestellte bei der herbeieilenden Ordonnanz Kaffee. Er hielt nichts von Alkohol für Piloten. »Guten Morgen, Herr Oberst«, sagte Gericke und fragte sich, wer der andere Offizier sein mochte, ein Oberst der Gebirgstruppen mit einer schwarzen Klappe über einem Auge und dem Ritterkreuz.
»Gratuliere«, sagte Prager. »Wie ich höre, haben Sie schon wieder einen bestätigten Abschuß.«
»Jawohl, eine Lancaster. Ein Mann konnte abspringen, ich sah, wie sich sein Fallschirm öffnete. Er wird jetzt von unseren Leuten gesucht.« »Oberst Radl«, sagte Prager.
Radl streckte die gesunde Hand aus, Gericke drückte sie. »Herr Oberst.« Prager war so kleinlaut, wie Gericke ihn noch nie erlebt hatte. Er schien unter Druck zu stehen, rückte in seinem Sessel hin und her, als bereite ihm das Sitzen Schmerzen. Die Ordonnanz brachte ein Tablett mit einer Kanne heißem Kaffee und drei Tassen. »Stellen Sie es ab, Mann!« befahl Prager barsch. Nachdem der Mann gegangen war,
Weitere Kostenlose Bücher