Der Agent - The Invisible
treffen, und in diesem Fall war die Entscheidung bereits gefallen. Und was er gerade herausgefunden hatte, bestärkte ihn nur in seiner Meinung.
»Ich werde niemandem etwas sagen, aber du musst dieses Problem aus der Welt schaffen«, sagte er leise. »Ich weiß, dass du arbeiten möchtest, aber so nimmt es ein schlimmes Ende. Du wirst dich selbst oder einen anderen umbringen, und wenn …«
Er bemerkte seinen Fehler zu spät, bekam aber genau mit, was dann geschah. Ihr Gesicht wirkte fassungslos, und ihr Oberkörper kippte etwas nach vorn, als hätte ihr jemand einen Faustschlag in den Magen versetzt.
»Mein Gott.« Er bereute seine Worte sofort. »Ich hab’s nicht so gemeint, Naomi. Du konntest ja nicht wissen, dass es …«
Es war vergeblich, sie hatte bereits den Rückzug angetreten und die Badezimmertür hinter sich ins Schloss geknallt. Dann hörte er, wie der Schlüssel sich drehte. Jetzt war sie unerreichbar für ihn, verloren in ihrer eigenen Welt. Ihm war klar, dass er dort nicht mehr willkommen war.
Er schaute mit einem leeren Blick auf die Tablette in seiner Hand, und ihm kam der Gedanke, sie mit dem Absatz zu zermalmen, um der Versuchung vorzubeugen. Stattdessen warf er sie auf die Bettdecke und verließ das Zimmer.
27
Sialkot
Randall Craig stand in dem von grellem Licht erleuchteten Operationsraum. Es herrschte fast völlige Stille, doch er war sich der effizienten, sparsamen Bewegungen von Said Kureshi bewusst, der sich in der Nähe des in den Boden eingelassenen Ausgusses zu schaffen machte. In seinem Rücken spürte er die Anwesenheit Benazir Mengals, der reglos an einem Schrank lehnte. Während Craig auf eines der weltweit am mühelosesten zu erkennenden Gesichter hinabschaute, erinnerte er sich an einen Patienten, bei dessen Operation er einst dabeigewesen war, einen Promi der zweiten Reihe, der sich selbst den oberen Zehntausend zurechnete. Seines Wissens war der sein einziger Patient gewesen, für den sich die Öffentlichkeit interessierte. Diese Patientin war von anderem Kaliber. Brynn Fitzgerald war kein aufgestylter Teenager mit Kultstatus, dessen Papi zu viel Geld hatte, sondern eines der wichtigsten amerikanischen Regierungsmitglieder. Bei den Hunderten von Operationen, an denen er als Anästhesist mitgewirkt hatte, war er bisher stets in der Lage gewesen, kühle Distanz zu wahren. Er hatte als absoluter Profi agiert. Darauf war er immer stolz gewesen, wenn auch nicht übermäßig stolz. Es gehörte einfach zu seinem Job. Jetzt bemerkte er, dass auf seine Ruhe kein Verlass war. Er schwitzte unter dem Chirurgenkittel, den Kureshi ihm gegeben hatte, und seine Hände waren feucht in den engen Latexhandschuhen, die ihm wie dicke Fäustlinge vorkamen.
Der alles beherrschende Gedanke war, dass er versagen könnte. Wenn er auf die Patientin blickte, sah er nur die Frau, deren Konterfei auf den Titelseiten von Newsweek, Time und Harper’s erschienen war und die man ständig im Fernsehen erlebte, auf CNN, MSNBC oder Fox News. Er sah die mächtigste Frau der Vereinigten Staaten und war verängstigt, wenn er daran dachte, was er ihr möglicherweise antun könnte. Ein einziger Fehler, ein kleines Versehen, das genügte. Wenn sie nur eine unbedeutende Allergie hatte, von der sie nichts wussten, würde sie sterben, unter den Händen eines Bauernjungen aus Tennessee …
»Randall?« Er schreckte aus seinen Gedanken auf und wandte sich Said Kureshi zu, der ihn verunsichert anblickte. »Alles in Ordnung?«
Craig versuchte, seine Befürchtungen abzuschütteln. Er spürte Mengals durchdringenden, misstrauischen Blick auf sich ruhen. »Ja.«
Kureshi kam mit einem Tablett voller sterilisierter Instrumente herbei, stellte es ab und justierte eine der OP-Leuchten so, dass sie sich direkt über dem oberen Teil von Fitzgeralds Unterleib befand. Dann legte er die Maske an und blickte Craig in die Augen. »Bist du so weit?«
Craig nickte bedächtig. Er und Kureshi hatten keine Gelegenheit gehabt, sich darüber zu einigen, was sie nach der Operation tun würden. Er glaubte, dass sein Freund um sein Leben kämpfen würde, wie er es bereits angedeutet hatte, aber von welcher Seite er die Dinge auch sah, er konnte einfach nicht ignorieren, dass ihre Chancen schlecht standen. Laut Kureshi befanden sich mindestens acht bewaffnete Männer auf dem Grundstück, weitere waren am Ende der Zufahrtsstraße postiert. Er vermutete - seiner Meinung nach zu Recht -, dass
weitere bewaffnete Wachtposten an der
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