Der Agent - The Invisible
Sir«, sagte Harper. Der Präsident schaute Andrews an, und der nickte zustimmend.
»Wenn Sie das tun, Sir«, wandte Bale ein, »könnten die diplomatischen Konsequenzen …«
»Es ist das Risiko wert«, sagte Brenneman bestimmt, den Direktor der National Intelligence mit einem strengen Blick bedenkend. »Wenn Musharraf die subversiven Elemente in seinem Land unter Kontrolle hätte, wären wir gar nicht erst in diese Lage gekommen. Womöglich haben wir nur eine Chance, sie zu befreien, und die werde ich nicht ungenutzt verstreichen lassen.«
Bale nickte, und der Präsident richtete sich abschließend an alle. »Wir werden sie finden und nach Hause bringen, Gentlemen. Dabei sind uns alle Mittel recht. Haben wir uns verstanden?«
Alle murmelten zustimmend, und Brenneman stand auf.
»Gut«, sagte er. »An die Arbeit.«
Kealey schaute seit einer halben Stunde aus dem Fenster, ohne die vorbeiziehende Landschaft zu sehen. Er war ganz auf die Bilder in seinem Kopf fixiert, sah immer nur Naomi. Es machte ihn völlig fertig. Noch immer konnte er nicht fassen, wie falsch er Javier Machado eingeschätzt hatte, und er fragte sich, ob der Spanier wirklich fähig war, seine Drohung wahr werden zu lassen. Seine Vergangenheit schien dagegenzusprechen. Menschen mit einem unberechenbaren Temperament hielten sich nicht so lange bei der operativen Abteilung - wenn sie es überhaupt schafften, bei der CIA genommen zu werden. Machado hatte dreißig Jahre für den Geheimdienst gearbeitet, und zwar äußerst erfolgreich. Er war einer der besten Agenten überhaupt, ein gewiefter Profi. Wäre das der einzige zu berücksichtigende Faktor gewesen, hätte er nicht daran gezweifelt, dass Machado bluffte und nicht die Absicht hatte, Naomi etwas anzutun.
Doch so einfach war es nicht. Bei Machados Vorgehensweise war zweifellos ein emotionaler Faktor im Spiel, den er nicht ganz begriff. Als Pétain ihm erzählte, auf welch grausame Weise ihre Schwester in Kolumbien ums Leben gekommen war, hatten ihn die Abartigkeit des Verbrechens und das perverse Nachspiel mit den Fotos geschockt. Aber er hatte nicht wirklich bedacht, wie sehr das ihre Familie ins Schleudern gebracht hatte. Der Schmerz musste von Beginn an schlimm gewesen sein - er selbst hatte einst einen ähnlichen Verlust erlitten -, doch im Laufe der Zeit hatte die Tragödie bei Pétain und Machado zu einer Persönlichkeitsveränderung geführt. Bei Ersterer schlug sie sich in einem Verlangen nach Rache nieder, bei Machado waren die Folgen sehr viel gefährlicher. War seine Drohung ernst gemeint, dann waren ihm alle Mittel recht, um das Leben der ihm gebliebenen Tochter zu schützen.
Er hatte ständig daran denken müssen, seit sie vor drei Stunden das Unterwerk verlassen hatten. Nachdem er Owen telefonisch informiert und ihn gebeten hatte, dafür zu sorgen, dass seine Leute Position bezogen, blieben ihm immer noch Stunden - harte, schmerzliche, endlose Stunden -, um über die Geschehnisse nachzudenken, doch einer Antwort war er kein bisschen näher gekommen. Noch immer wusste er nicht, wie es ihm hätte gelingen sollen, rechtzeitig die Wahrheit zu erkennen. Er war nicht einmal sicher, welche Wahrheit er hätte sehen sollen. Steckte hinter Machados Vorgehensweise wirklich nur der schon fast krankhafte Wunsch, jeden Schaden von seiner Tochter abzuwenden? Oder versuchte er nur unter Einsatz aller Mittel, ihr Leben zu kontrollieren? Eigentlich spielte diese Unterscheidung keine Rolle. Wichtig war nur, wie er, Kealey, reagiert hatte, als alles offen zutage lag, und er war sich immer noch nicht sicher, ob er richtig gehandelt hatte. Was sonst hätte er tun, was anders machen können? Ihm fiel nichts ein, aber er konnte es nicht wissen, und diese Verunsicherung belastete ihn allmählich immer mehr.
»Da vorn«, sagte Pétain, die hinter dem Steuer des Subaru saß. Kealey schaute durch die Windschutzscheibe. Insgeheim machte er sich Vorwürfe, weil er es zugelassen hatte, dass seine Gedanken abschweiften, aber um ihren Gefangenen musste er sich keine Sorgen machen. Fahim saß auf dem Beifahrersitz, mit seinen eigenen Handschellen an die Tür gefesselt. Kealey saß direkt hinter ihm, mit der Waffe in der Hand - die wackelige Rückenlehne des Sitzes würde die Kugel nicht aufhalten. Fahim wusste Bescheid, und außer einem gelegentlichen Stöhnen hatte er während der ganzen Fahrt keinen Laut von sich gegeben. »Das ist die Straße, die wir nehmen müssen.«
Pétain blickte über die Schulter,
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