Der Agent - The Invisible
ungläubigen Gesichter. Der stellvertretende Direktor der CIA teilte ihre Gefühle; auch er versuchte noch zu verdauen, was vor einer knappen Stunde in Pakistan geschehen war.
Der erste Anruf war um fünf vor halb sieben aus Langley gekommen. Er saß gerade am Frühstückstisch, als im Nebenzimmer das Telefon für die abhörsicheren Verbindungen klingelte. Keine zehn Minuten später war er angezogen und aus dem Haus, doch er hatte kaum auf der Rückbank des wartenden Town Car Platz genommen, als sein Blackberry zu vibrieren begann. Man informierte ihn aus dem Weißen Haus, dass der Präsident eine Krisensitzung anberaumt hatte, die in zwanzig Minuten beginnen sollte.
Vor seiner Nominierung für den zweithöchsten Posten bei der CIA war Harper stellvertretender Direktor der operativen Abteilung gewesen. Damals unterlag sein Name der Geheimhaltung - auch bei den Medien kannte ihn niemand -, doch in seiner jetzigen Position war das nicht mehr möglich. Der Mordanschlag vor acht Monaten hatte das Medieninteresse an seiner Person angeheizt, und aus diesem Grund hatte er sich gezwungen gesehen, sein Haus in der historischen General’s Row, direkt südlich des Dupont Circle, zu verkaufen. Nach kurzer Suche war er mit seiner Frau in ein Stadthaus mit fünf Zimmern in der Embassy Road umgezogen, das ihren Wünschen entsprach. Aber der Weg zum Weißen Haus war etwas weiter. Er nutzte die Zeit im Auto dazu, mit seinen wichtigsten Beratern zu telefonieren, die jedoch auch nicht viel wussten. Mit diesen mageren Informationen musste er nun dem Präsidenten gegenübertreten.
Er wurde in den Konferenzraum gebeten, der - wie der Rest des Kellergeschosses unter dem Westflügel - im Jahr 2006 komplett renoviert worden war. Die ehemals mit Mahagoni getäfelten Wände waren jetzt größtenteils mit schallabsorbierendem Stoff bespannt. In der Decke befanden sich Sensoren, die den Secret Service über eingeschaltete Mobiltelefone informierten, die aus Sicherheitsgründen verboten waren. Somit war es ein sehr ruhiger Raum, doch heute wirkte der Geräuschpegel wegen der gedrückten Stimmung noch gedämpfter. Die Gesichter an dem langen Mahagonitisch waren grimmig, aber für jeden erkennbar - zumindest für jene, die ein zumindest oberflächliches Interesse für die amerikanische Politik hatten.
Flankiert wurde der Präsident von Emily Susskind, seit Kurzem Direktorin des FBI, sowie von ihrem Stellvertreter Harry
Judd und Kenneth Bale, dem Direktor der National Intelligence Agency. Links neben Bale saß Robert Andrews, der große, dunkelhaarige Direktor der CIA. Er nickte Harper kurz zu, als sich ihre Blicke trafen. Auf der anderen Seite des Tisches saßen Elliot Greengrass, der Unterstaatssekretär für politische Angelegenheiten, Jeremy Thayer, der Berater für nationale Sicherheit, und Stan Chavis, der Stabschef des Präsidenten.
Außer ihnen war noch eine weitere Person anwesend, die neben Andrews saß. Dieser Mann wirkte noch mitgenommener als die anderen, was durchaus verständlich war. Als stellvertretender Chef des Bureau of Diplomatic Security und Direktor des Office of Foreign Missions war Davin Dowd für die Operationen des Diplomatic Security Service verantwortlich. Und für den Schutz zahlloser Offizieller des Außenministeriums, darunter auch Brynn Fitzgerald. Wenn jemandem bei diesem Treffen die Schuld an dem Desaster gegeben wurde, dann bestimmt zuerst dem sechzigjährigen ehemaligen Staatsanwalt.
Der Präsident saß am Kopf des Tisches. Gewöhnlich wirkte David Brenneman mindestens ein Jahrzehnt jünger als fünfundfünfzig. Sein kurz geschnittenes, welliges braunes Haar war kaum angegraut, und es war kein Geheimnis, dass sein offenes, ehrliches Gesicht im Laufe seiner politischen Karriere zu seinem Erfolg beigetragen hatte. An diesem Morgen sah er allerdings ganz und gar wie ein Mann seines Alters aus. Harper nahm es als ein böses Omen, denn der Tag hatte gerade erst begonnen. Der Präsident blickte ihn an. »Setzen Sie sich. Wir wollten gerade beginnen.«
Harper nahm gegenüber von Dowd Platz. »Vielen Dank, Sir. Bitte, lassen Sie sich durch mich nicht länger aufhalten.«
Der Präsident nickte und wandte sich Andrews zu. »Vielleicht
könnten Sie damit beginnen, uns auf den neuesten Stand zu bringen.«
»Gern, Sir.« Der CIA-Direktor schaltete mit einer Fernbedienung die NEC-Plasmabildschirme ein, die ringsum an den Wänden hingen. Nach ein paar Augenblicken verschwand das Präsidentensiegel, und die Anwesenden
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