Der Agent - The Invisible
Leuten
zusammenzuarbeiten, mit denen man eine - wenn auch nur kurze - Zeit gemeinsam verbracht hatte. Das konnte entscheidend sein, besonders dann, wenn sich herausstellte, dass der Plan einen Haken hatte.
Als alle Türen geschlossen waren und der Lieferwagen losfuhr, nahm Kealey die Tasche von der Schulter und klemmte sie zwischen seine Füße. Unterdessen hatte Marissa Pétain einen vorn an der Ladefläche am Boden festgenieteten Kunststoffbehälter geöffnet und eine Waffe herausgezogen. Sie reichte sie Kealey, zusammen mit zwei Reservemagazinen. Ihre linke Augenbraue hob sich. Eine wortlose Frage, er nickte zustimmend. Gegen die Pistole war nichts zu sagen.
Während Pétain Naomi eine Waffe gab und dann eine für sich auswählte, inspizierte Kealey die Kammer seiner Pistole, dann die Länge des Laufs. Die CZ 110 war eine etwas klobige Handwaffe, die in der Tschechischen Republik produziert wurde. Sie hatte einen leichten Polymer-Rahmen, und dieses spezielle Modell war für 9mm-Munition ausgelegt. Nachdem er ein Magazin mit dreizehn Patronen eingelegt und sich vergewissert hatte, dass die erste Kugel in der Kammer steckte, sah er, dass Naomi ebenfalls ein Magazin einrasten ließ. Ihre Waffe schien eine Glock 26 zu sein, und Pétain hatte für sich eine FN Fourty-Nine ausgesucht. Die Waffen würden ihren Zweck erfüllen, wenn es notwendig war, aber es gab einen speziellen Grund, warum die Wahl auf diese Modelle gefallen war. Keines davon wurde von amerikanischen Strafverfolgungsbehörden benutzt, was den Verdacht ablenken würde, wenn etwas schiefging. Trotzdem, die Pistolen hatten sie nur für den Notfall dabei. Kealey zählte darauf, dass der Inhalt der Tasche zu seinen Füßen ausreichen würde, um die gewünschten Antworten zu bekommen.
Während der Toyota sich durch den dichten Spätnachmittagsverkehr schlängelte, blickte er zu Naomi hinüber, die sehr aufrecht und mit einem wachen Gesichtsausdruck dasaß. Trotzdem konnte er nicht den geistesabwesenden Blick von vor zehn Minuten vergessen. Noch weniger die vergrößerten Pupillen. Sie hatten in einem hell erleuchteten Flur gestanden, es musste nicht unbedingt etwas bedeuten. So konnten zum Beispiel Augentropfen eine zeitweilige Mydriasis hervorrufen. Aber die Pupillenerweiterung konnte auch auf Medikamente zurückgehen, von denen etliche nur streng kontrolliert abgegeben wurden. Er konnte nicht mit Sicherheit wissen, was mit ihr los war, wollte aber nicht daran glauben, dass es etwas Ernsthaftes war. Doch wenn er alles bedachte, was ihm während der letzten beiden Tage aufgefallen war, fiel es schwer, die Wahrheit zu ignorieren. Als der Wagen scharf nach links auf die Calle de San Leonardo de Dios abbog, traf er zögernd eine Entscheidung.
»Pétain?« Die junge Agentin blickte ihn fragend an. »Ich möchte, dass Sie das mit mir erledigen. Trauen Sie sich das zu?«
»Wie bitte?« Naomis Kopf fuhr überrascht herum. »Das ist mein Job, Ryan, ich …«
»Nicht mehr«, antwortete er, den Blick auf Pétain richtend. »Also?«
Pétain nickte und wollte etwas sagen, doch Naomi kam ihr zuvor, mit lauter, zorniger Stimme. »Was zum Teufel ist in dich gefahren, Ryan? Dies ist mein Auftrag, nicht deiner. Harper persönlich hat ihn mir anvertraut, da kannst du mir nicht einfach den Stuhl vor die Tür setzen, nur weil ich ein paar Stunden …«
»Acht Stunden, Naomi.« Er bedachte sie mit einem ruhigen,
festen Blick. »Du warst für acht Stunden verschwunden. Fast neun. Sieh es so, dass du verdammtes Glück hast. Wenn Harper von dieser Eskapade wüsste, hätte er verlangt, dass du mit der ersten Maschine zurückfliegst. Damit wäre deine Laufbahn beendet gewesen.«
»Wir haben doch alles besprochen«, versuchte sie es erneut, die Hände zu einer flehenden Geste erhoben. Ihr Blick war wütend, doch er entdeckte auch einen Anflug von Verzweiflung, den er nicht kannte. Er fühlte sich unwohl, sie hatte noch nie um etwas gebettelt. »Ich weiß genau, wie es laufen muss, und ich …«
»Vergiss es«, unterbrach Kealey. Er wollte ihr dies nicht antun, aber sie ließ ihm keine andere Wahl. Und wenn er jetzt einen Rückzieher machte, würde das nur seine Autorität unterminieren. »Du hattest deine Chance.« Er wandte sich wieder Pétain zu. »Sie kennen den Plan?«
»Ja.«
»Gut. Schön entspannt bleiben und einfach tun, was ich sage.«
Pétain nickte erneut, und plötzlich blieb der Lieferwagen stehen. Aus der dünnen Trennwand, welche die Fahrerkabine von der
Weitere Kostenlose Bücher