Der Agent - The Invisible
ich kann«, antwortete Kharmai, die Pétains Frage erriet. » Falls ich kann. Versucht einfach abzuhauen. Habt ihr bekommen, was ihr wolltet?«
»Ja, ich denke schon.«
»Dann viel Glück.«
Kharmai unterbrach die Verbindung, ohne eine Antwort abzuwarten. Nachdem sie das Handy in die Tasche gesteckt hatte, gab sie sich alle Mühe, die P14 zu verbergen, als sie sich der Straße näherte. Sie hielt sie direkt hinter ihren rechten Oberschenkel. Dann drehte sie sich um und warf einen Blick auf die Fässer, die in der Nachmittagssonne funkelten. Der Lieferwagen war nur etwa fünfzehn Meter entfernt, nicht annähernd weit genug. Trotzdem, sie konnte die Distanz nicht vergrößern, sonst hätte sie auf die Straße treten müssen, wo vielleicht jemand die Waffe sah und Alarm schlug.
Zu ihrer Linken stand ein überquellender Müllcontainer. Sie ließ sich dahinter auf ein Knie fallen, hob die Waffe mit beiden Händen und zielte auf den ersten Tank, sorgsam darauf achtend, dass ihr Körper so gut wie möglich hinter dem Container verborgen war. Ihre Hände zitterten, ihr Atem ging unregelmäßig. Die Übelkeit war schlimmer als je zuvor. Sie kniff die Augen zu und versuchte, sich zu entspannen. Dann öffnete sie die Lider, atmete tief durch und drückte ab.
In dem Wohncontainer waren die Nerven bis zum Zerreißen gespannt - Kealey und Pétain warteten nervös, was Kharmai sich einfallen lassen würde. Er hatte das T-Shirt ausgezogen und wischte sich damit Ghafours Blut von den Händen und Armen. Als er sich umblickte, sah er auf dem Sofa in der Nähe der Tür zwei Flanellhemden - zu warm für dieses Wetter und deshalb zu auffällig, aber Alternativen gab es nicht. Er zog ein Hemd an und warf das andere Pétain zu, die auf Ghafours reglosen Körper blickte. Sie fing das Hemd im letzten Moment auf und sah ihn an.
»Was soll ich damit?«
»Ziehen Sie es an. Wenn wir rausgehen, setzen wir die Schutzhelme auf. Wirklich weiterhelfen wird es uns nicht, aber vielleicht können wir für ein paar Augenblicke Verwirrung stiften. Besser als nichts.«
Sie nickte und zog das viel zu große Hemd an. Als sie es zugeknöpft hatte, zeigte sie auf Ghafour. »Was passiert mit ihm?«
Kealey blickte erst auf den reglosen Körper, dann zur Tür. »Er ist tot. Wie lange ist es her, seit sie angerufen hat?«
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie auf die Uhr blickte. »Vierzig Sekunden«, murmelte sie. »Warum haben wir noch nichts gehört?«
»Lassen Sie ihr etwas Zeit. Achten Sie darauf, ob sich draußen …«
Der zweite Teil des Satzes wurde von einem fernen Donnern verschluckt. Als es verebbt war, hörte Kealey die Polizisten draußen aufgeregt durcheinanderreden, dann das Geräusch schneller Schritte. Einige von ihnen mussten als Reaktion auf die Explosion in Richtung Straße rennen. Er trat leise ans Fenster, drückte die Lamellen auseinander und schaute hinaus.
Zwei Polizisten waren zurückgeblieben. Beide blickten in Richtung Straße und kehrten dem Wohncontainer den Rücken zu. Die anderen rannten auf das östliche Tor zu. Hinter dem Maschendrahtzaun sah er eine dicke Rauchwolke in den klaren blauen Himmel aufsteigen. Es war ein seltsamer, beunruhigender Anblick, aber zweifellos ein von Naomi inszeniertes Ablenkungsmanöver. Nur deshalb hatten sie eine Chance, vielleicht mit heiler Haut davonzukommen.
»Schnappen Sie sich das Geld«, sagte er.
»Was?«
»Schnappen Sie sich das verdammte Geld.« Während Pétain die Tasche vom Sofa nahm und sie sich über die Schulter warf, ging er zur Tür und kauerte sich nieder. Pétain war hinter ihm. »Ich zähle bis drei«, murmelte er. »Alles klar?«
Er legte die Hand auf die Klinke und zählte. Dann riss er die Tür auf und stürmte heraus, sich aufmerksam umschauend. Die beiden Polizisten drehten sich um, einer stand dicht an der Tür.
»¡Ayúdenos!« , schrie Kealey. Helfen Sie uns! »Der Typ da drin dreht durch!«
Der am nächsten stehende Polizist drehte sich zögernd um und blickte auf die offene Tür. Das verschaffte Kealey den Sekundenbruchteil, den er brauchte. Sein Fuß traf den Polizisten unter dem rechten Knie. Er geriet ins Taumeln, als Kealey den rechten Fuß zurückzog und das Gewicht auf den linken verlagerte. Es war eine schnelle Bewegung, aber nicht schnell genug. Der zweite Polizist holte mit überraschender Geschwindigkeit aus, und Kealey blieb keine andere Wahl, als abzudrücken. Er sah nicht, wo die Kugel traf, aber der Mann wurde nach hinten geschleudert. Pétain
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