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Der Agent - The Invisible

Der Agent - The Invisible

Titel: Der Agent - The Invisible Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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zwölf amerikanischen Touristen sagen, die während der letzten paar Monate verschwunden waren.
    Es musste irgendeine Verbindung geben. Aber die Touristen waren weit oben im Norden verschwunden, und in den Zeitungen hatte er gelesen, sie seien in kleinen Gruppen in abgelegenen Gegenden gekidnappt worden. Wenn er von denselben Tätern entführt worden war, warum hätten sie ihre Vorgehensweise so drastisch ändern sollen? Natürlich war da noch Fitzgerald, aber er hatte absolut nichts zu tun mit der Außenministerin, sodass auch das keinen Sinn ergab. Was war los? Wo war die Verbindung? Er musste nachdenken …
    Fürs Erste verdrängte er es, dafür blieb später genug Zeit. Das Wichtigste zuerst. Er musste herausfinden, wo er war. Es gab nur eine Tür. Er trat an sie heran, auf wackeligen Beinen. Verschlossen. Er war versucht, laut dagegenzuhämmern, wollte um Hilfe rufen. Aber er wusste, dass es sinnlos war.
Stattdessen drehte er sich um und blickte zu dem Schreibtisch hinüber. Ein Haufen Papiere. Dort musste etwas zu finden sein. Ein Name, eine Adresse … irgendwas.
    Zuerst untersuchte er die Schubladen. Zwei gebundene Bücher, eine englische Übersetzung des Korans und eine aktuelle Auflage von Gray’s Anatomy . Merkwürdig, einen englischen Koran zu finden, dachte er. Zumindest, wenn er noch in Pakistan war. Es gab noch ein paar weitere medizinische Bücher, einige in Englisch, andere in Urdu. Ansonsten waren die Schubladen leer. Frustriert setzte er sich wieder aufs Bett, um alles zu überdenken. Er saß immer noch da, damit beschäftigt, den pochenden Kopfschmerz zu ignorieren, als er Geräusche von der Tür her hörte. Überrascht stand er auf und machte sich auf alles gefasst, als sich der Schlüssel im Schloss drehte und die Tür sich öffnete …
     
    Mehr als sechstausend Kilometer weiter westlich saß Naomi Kharmai auf dem Fußboden des kleinen Schlafzimmers im ersten Stock. Es war stockfinster, warm und still. Sie hockte in der Ecke am hinteren Ende des Bettes, dort, wo die Wände einen rechten Winkel bildeten, die Arme um die Knie geschlungen. In dem Haus war kein Laut mehr zu hören, schon länger als eine Stunde. Sie blickte nach unten, reglos dasitzend, mit nicht ganz geschlossenen Augen, ins schwarze Nichts starrend.
    Sie hatte ihre Tränen vergossen, und obwohl sie es versucht hatte, ging es nicht mehr. Trotz ihrer Erschöpfung fand sie keinen Schlaf. Vor ihrem inneren Auge sah sie zu deutlich die Gesichter. Einige hatten sich durch die Fernsehberichterstattung eingeprägt, die ungläubigen Gesichter der Passanten auf der Straße. Ihre konsternierten Blicke und offenen Münder. Dann andere Bilder, die ihr Schuldbewusstsein selbst heraufbeschwor.
Imaginäre Gesichter, imaginäre Leben, und doch so real wie nur möglich. Das glückliche Gesicht einer jungen Frau, die ihr erstes Kind erwartet. Das unschuldige eines zwölfjährigen Jungen, auf dem Heimweg von einem Fußballspiel. Das faltige einer älteren Witwe. Alle tot, vor der Zeit gestorben. Drei weitere Tote, zahllose Verletzte.
    Sie war dafür verantwortlich. Aber nicht wie ein General, der die Bombardierung eines Ziels in einem fernen Land befiehlt, oder jemand, der einem zum Tode Verurteilten die Giftspritze verabreicht, sondern auf eine direktere, unmittelbare Weise. Sechs Menschen hatte sie getötet, und wofür? Sie wusste es nicht. Die Tat war nicht zu rechtfertigen, das stand fest. Alles in allem war Harper zufrieden, weil der CIA eine öffentliche Demütigung und die Verhaftung von mindestens zwei Agenten im Ausland erspart geblieben war. Auch der Präsident war zufrieden, weil er keinen unangenehmen Vorfall erklären musste, wie das ohnehin oft genug vorkam. Einen jener Vorfälle, die nach einem halben Jahr alle Welt vergessen hatte.
    Dafür hatte sie unschuldige Passanten getötet, eine schwangere Frau und einen zwölfjährigen Jungen.
    Sie hatte genug. Genug von ihrem Leben und dem, was sie getan hatte. Genug von sich selbst.
    Jetzt hatte sie es lange genug hinausgezögert, es ging nicht mehr. Sie tastete in der Finsternis nach der Jeans, die sie in Madrid getragen hatte, fand in der Tasche die Plastikdose und nahm drei von den kleinen weißen Tabletten heraus. Nach kurzem Zögern schluckte sie sie ohne Flüssigkeit hinunter. Die dritte Dosis in drei Stunden. Zu viel, selbst für ihre Verhältnisse.
    Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und wartete, was zuerst kommen würde, der Schlaf oder das Morgengrauen.

25
    Sialkot
    Randall

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