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Der Agent

Der Agent

Titel: Der Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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dicht gesäumt von Büschen, die ihm für seine Zwecke so vorteilhaft erschienen war, wandelte sich nun zu einem Nachteil. Direkt vor ihm blockierte die mächtige und unglaublich kraftvolle Gestalt des Hemnoiden seinen einzigen, geraden Fluchtweg in die nächtlichen Wälder. Hinter ihm befand sich die Felswand, und nur ein Schritt rückwärts würde ihn in die Tiefe schicken. Zur Rechten und Linken bildete dichtes Unterholz gleichsam Seitenwände. Dilbianer und Hemnoiden mochten wohl imstande sein, sich mit brutaler Gewalt durch dieses Dickicht zu zwängen, aber ein Mensch würde darin so langsam vorwärtskommen, daß er von jemandem wie Mula-ay mühelos eingeholt werden könnte.
    Diese Büsche wuchsen fast bis an den Rand der Klippe. Nur etwa zwanzig Zentimeter bröckelnder, überhängender Grasboden trennte die letzten Büsche von dem steilen Abgrund. Bill war eingeschlossen wie ein Stier in der Schlachtbox einer Fleischfabrik. Zu seinen Gunsten blieben ihm nur noch seine Reflexe, die schneller sein würden als die des schwergewichtigen Hemnoiden. Im Augenblick sah er jedoch nicht, wie schnellere Reflexe ihm aus dieser Lage heraushelfen konnten.
    „Sie werden doch nicht so … so dumm sein, mir tatsächlich etwas anzutun?“ sagte er zögernd. „Es würde eine Untersuchung geben, und die Untersuchung würde die Tatsache ans Licht bringen, daß Sie dafür verantwortlich waren.“
    Mula-ay schüttelte den Kopf. „Ich?“ Sein Lächeln wurde breit. „Wer würde sich die Mühe machen, die Untersuchung in meine Richtung zu lenken, wenn offenbar wird, daß Ihr dilbianischer Postbote Sie hier zurückgelassen hat zu dem ausdrücklichen Zweck einer Kletterpartie diese Wand hinunter? Wenn Ihr Körper am Fuß der Klippe unter Ihrem Seil gefunden wird, so daß alles darauf hindeutet, daß Sie abgestürzt sind?“ Er lachte.
    „Oh?“ Bill bemühte sich, Hohn in seinen Ton zu legen. „Wenn das wirklich Ihre Absicht ist, warum haben Sie es dann nicht einfach getan, statt hier herumzustehen und mit mir darüber zu sprechen?“
    Mula-ay lachte wieder. „Vergessen Sie nicht, daß wir Hemnoiden das Leiden unserer Opfer genießen?“ entgegnete er fröhlich. „Und geistige Qual ist so unvergleichlich viel befriedigender als grobes physisches Leiden. Bevor ich Sie über die Klippe stoße …“ Er holte seine Hände aus den weiten Ärmeln seines Gewandes, „wollte ich Ihnen dafür danken, daß Sie sich freundlicherweise in eine so exponierte Lage gebracht haben, nachdem Sie bei unserer letzten Begegnung das Glück hatten, vor der kleinen Exekution, die ich eigentlich für Sie arrangiert hatte, gerettet zu werden …“
    „In Ordnung, Bergläufer“, unterbrach Bill rasch und blickte über Mula-ays rechte Schulter. „Jetzt hat er es zugegeben. Er hat gesagt, was ich hören wollte. Du kannst ihn jetzt packen!“
    Mula-ay lachte nur. „Sie glauben doch nicht, daß Sie mich damit täuschen können“, begann er, aber dabei blickte er unwillkürlich über seine rechte Schulter. Und in dieser Sekunde handelte Bill.
    Er rannte nach links und den schmalen Streifen entlang zwischen den Büschen und dem Rand des Abgrunds. Er fühlte, wie der Boden unter seinen Füßen wegbrach, als sein Gewicht darauf traf, aber da war er schon vorüber, erreichte festeren Boden und drehte ab, um in die Dunkelheit des Unterholzes einzutauchen. Hinter sich hörte er Mula-ays unterdrückten Wutschrei, gefolgt von dem Krachen der Büsche, als sich der mächtige Körper des Hemnoiden wie ein Bulldozer durch das Gestrüpp wälzte, um die Verfolgung aufzunehmen. Bill rannte weiter und nutzte jede kleine Lichtung und jede Lücke in dem Unterholz aus. Auf diese Weise legte er etwa hundert Meter zurück. Dann, außer Atem, blieb er stehen und horchte. Der Lärm, den der Hemnoide auf seinem Weg durch das Unterholz verursachte, verriet Bill, daß Mula-ay ein gutes Stück hinter ihm zurückgeblieben war. Bill verharrte reglos, wo er war. Schweiß lief ihm in Strömen über den Körper.
    Wenig später hörten die Geräusche der Verfolgung unvermittelt auf, und Bill konnte sich vorstellen, daß Mula-ay jetzt ebenfalls lauschte und auf irgendein Geräusch wartete, das ihm verriet, in welche Richtung Bill zu entkommen versuchte. Aber Bill blieb weiterhin reglos stehen, und etwa zweieinhalb unendlich erscheinende Minuten lang geschah gar nichts.
    Dann bewegte Mula-ay sich wieder. Er bemühte sich, leise zu sein, aber das Rascheln des Laubes und das Knacken der Äste

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