Der Albtraum meiner Kindheit und Jugend - Zwangseinweisung in deutsche Erziehungsheime
ein solch falsches Lächeln der „besonderer Art“ kennen gelernt. Sobald ein Besuchstag an einem Sonntag zuende ging, war es mit der Freundlichkeit vorbei. Die Mütter und die Verwandtschaft verließen, die Zwangs-Eingewiesenen und mussten ihre Mädchen, ihre Kinder, zurücklassen.
Haben die Verantwortlichen schon etwas davon gehört, dass Kinder eine hochempfindliche Seele haben? Eine Antwort darauf gab es in diesem Hause nicht. Der Alltag im Erziehungsheim ging weiter, doch die Einsamkeit und Verzweiflung blieb. Auch der Wunsch nach Selbstmord war keine Seltenheit. Wir wurden gedemütigt, erniedrigt, missachtet von der Gesellschaft und wurden beschimpft.
„Du bist nichts wert, aus diesem Grund bist du hier! Du bist verkommen, verwahrlost und daher für die Gesellschaft nicht tragbar!“
Mit solchen Worten, die von den Nonnen wie eine Waffe gegen uns benutzt wurden, mit diesen verbalen Attacken haben sie uns täglich gedemütigt. Das Vorgehen geschah „im Namen Gottes“ oder „im Namen der hl. Mutter Gottes“?
Aus dieser Verzweiflung heraus, sahen viele keine Perspektiven für ihr weiteres Leben. Manche Mädchen verschluckten auch mal eine Handvoll Stecknadeln und hofften auf einen Krankenhausaufenthalt, es gab Sauerkraut. Andere sprangen aus einem durch Zufall geöffneten Fenster. Das war ein großes Geheimnis, es wurde nie darüber gesprochen, aber leise weitergegeben. Sie nahmen jede Gelegenheit wahr, sich etwas anzutun, um sich dadurch einen Aufenthalt in einem Krankenhaus zu verschaffen, um sich dem Zwangsaufenthalt für kurze Zeit entziehen zu können.
Die Erziehungsmethoden hielten viele nicht aus. Ein Jugend-Gesetz aus dem Jahr 1923 wurde in diesen Erziehungsheimen praktiziert, die Erziehung lief wie ein roter Faden durch ganz Deutschland, im Osten und auch im Westen. Dabei hatte ich noch „Glück“, ich wurde nicht „weiter vermittelt“. Warum ...? Weil ich verheiratet war?
Meine Schwester Elke kam bis zu ihrem 21. Lebensjahr nicht aus diesem System heraus. Nach der „Entlassung“ aus der Erziehungsanstalt wurde sie weitergereicht an andere Einrichtungen, die der Kirche gehörten. Mit einem kleinen Taschengeld hatte sie auszukommen, und bei größeren Anschaffungen musste sie um Erlaubnis fragen. Über ihr Monatsgehalt konnte sie nie selbst verfügen und sah davon kaum etwas, obwohl man ihr sagte, alles würde für sie auf einem Sparkonto hinterlegt.
Dieses Sparkonto gab es wohl überhaupt nicht!
Eingeschüchtert fragte keiner: „Wo ist mein Gehalt geblieben?“
Warum war ich nicht rentenversichert, als ich in der Anstalt von Morgens bis Abends an der Heißmangel stand, in der Nähstube an der Nähmaschine saß, in der Küche geschuftet habe, in der Kinderabteilung geputzt, Kinder gewickelt habe, lange Flure auf den Knien schrubbte? In der „Freizeit“ keine Spaziergänge, keine frische Luft, nur an den Sonntagen für eine kurze Zeit mit meiner Tochter im mit Mauern eingezäunten Garten.
Viele Taschentücher umhäkeln und Marienlieder singen. Alles auf Befehl! Ob wir das wollten, wurde nie gefragt. Man hatte den Mund zu halten, Ruhe war angesagt. Nur gefühlskalte, emotionslose Menschen behandelten uns.
„Der Kelch ist an uns nicht vorbei gegangen!“
Mit diesen Gedanken lebte ich jahrzehntelang, oft verdrängt, doch es war immer wieder präsent.
Es sind jetzt 42 Jahre vergangen, ich verlange eine Antwort! Die Wirkung meiner Geschichte hält an und ich kann dieses Gefühl von Hilflosigkeit nicht aufhalten. Die Ursache ist weiter im völligen Dunkel. Es ist nichts vorbei, jetzt erst wird es uns bewusst, was da mit uns geschehen ist.
Wir sind aus einem Trauma aufgewacht, viele haben ängstlich die schrecklichen Erlebnisse in all den Jahren, regelrecht als schwere Last mit sich herum getragen. Ich habe Lissy wieder gefunden, wir sprechen viel über diese Zeit.
Auch mit meiner Schwester rede ich jetzt erst über unseren Zwangsaufenthalt bei den Nonnen.
Die uns zu guten Menschen erziehen sollten und stattdessen nach ihrer Methode umfunktionierten. Dabei haben sie uns seelisch niedergeknüppelt und ihre Macht an uns praktiziert. Unsere Familien und meine junge Ehe und viele Freundschaften haben sie mit grober Gewalt auseinandergebracht. Unserer Mutter wurde viel Leid und Traurigkeit bereitet. Sie haben dabei einen nicht gutzumachenden Schaden angerichtet, mit dem wir uns ein Leben lang auseinandersetzen müssen. Meiner Meinung ist Schaden kaum zu überschauen oder zu errechnen.
Weitere Kostenlose Bücher