Der Algebraist
drückte den Daumen
auf das Abdruckkissen. (Sonj hinterließ einen Blutfleck.)
Die Aufzeichnung erschütterte ihn. Obwohl sie wahrscheinlich
eine Fälschung war. Er lehnte sich zurück. »Das ist
doch getürkt«, stammelte er.
Der Kleine lachte. »Sind Sie verrückt? Warum sollten wir
diesen Aufwand betreiben?«
»Ich weiß es nicht«, gab Fassin zu. »Aber ich
kenne meine Freunde. Sie würden nie…«
Der Kleine beugte sich vor. »Darm unterschreiben Sie doch,
und sollte der höchst unwahrscheinliche Fall eintreten, dass das
Dokument jemals wieder auftaucht, dann sagen Sie einfach, wir
hätten Ihre Aussage gefälscht.«
»Und wieso fälschen Sie sie dann nicht gleich?«,
rief Fassin.
»Weil Sie dann Ihre Freunde nicht verraten hätten!«, schrie der Kleine zurück. »Nun los!
Unterschreiben Sie endlich, dann können Sie gehen. Ich habe
wahrhaftig Besseres zu tun.«
»Wieso machen Sie das eigentlich?«, fragte Fassin. Er
war den Tränen nahe. »Wieso zwingen Sie die Leute, ihre
Freunde zu verraten?«
Der kleine Mann betrachtete ihn einen Moment. »Mr.
Taak«, sagte er dann demonstrativ geduldig und lehnte sich
zurück. »Ich habe mir Ihr Profil angesehen. Sie sind nicht
dumm. Irregeleitet, idealistisch, naiv, gewiss, aber nicht dumm. Sie
müssen doch wissen, wie eine Gesellschaft funktioniert. Sie
müssen zumindest eine Ahnung haben. Es geht nur mit Druck, mit
Macht, mit Zwang. Die Leute benehmen sich nicht deshalb gut, weil sie
nett sind. Das ist der Trugschluss der Liberalen. Die Leute benehmen
sich gut, weil sie sonst bestraft werden. Das ist allgemein bekannt.
Niemand kann es bestreiten. Eine Zivilisation, eine Gesellschaft,
eine Spezies nach der anderen zeigt dieses Muster. Gesellschaft
bedeutet Kontrolle: Kontrolle bedeutet Strafe und Belohnung.
Belohnung bedeutet, an den Früchten der Gesellschaft teilhaben
zu können und, eine allgemeine Regel, die aber durchaus
gebrochen werden kann, nicht ohne Grund bestraft zu werden.«
»Aber…«
»Halten Sie den Mund! Das alberne Problem, über das Sie
sich beschweren wollen – die Eigentumsrechte an einem Habitat
– hat in Wirklichkeit gar nichts mit Ihnen zu tun. Es ist eine
juristische Frage, die nur den Besitzer angeht. Sie wurden nicht
einmal hier geboren und wären höchstens noch ein paar
Monate geblieben, geben Sie es doch zu. Es wäre besser gewesen,
sich rauszuhalten. Sie haben sich anders entschieden, Sie wollten
Unruhe stiften, und jetzt müssen Sie dafür bezahlen. Unter
anderem, indem Sie uns zeigen, dass Sie sich aufrichtig von den
Leuten distanzieren, mit denen Sie gemeinsame Sache gemacht haben.
Wenn Sie uns davon überzeugt haben, können Sie gehen. Nach
Hause, wie ich empfehlen würde. Ich meine, nach
’glantine.«
»Und wenn ich nein sage?«
»Sie meinen, wenn Sie nicht unterschreiben?«
»Ja.«
»Ernsthaft?«
»Ernsthaft.«
»Dann liegt Ihr Fall nicht mehr in meiner Hand. Dann kommen
Sie zu Leuten, die so etwas gerne tun.«
Als der Kleine diesmal die Hand über den Schreibtisch
bewegte, schrie Fassin vor Schmerz. Er musste sich auf die Zunge
gebissen haben, denn er schmeckte Eisen, und sein Mund füllte
sich mit frischem Blut und heißem Speichel.
»Mir«, sagte der Kleine müde, »macht es
nämlich keinen Spaß.«
Am Ende unterschrieb Fassin doch. Er hatte es irgendwie
geahnt.
Das Männchen schien sich darüber zu freuen, und zwei
hünenhafte Wärterinnen kamen herein, lösten Fassin die
Fesseln und halfen ihm aus dem Stuhl.
»Vielen Dank, Mr. Taak«, sagte das Männchen und
schüttelte ihm die Hand, bevor ihn die Frauen aus dem Zimmer
führten. »Ich hasse es, so unfreundlich zu sein, und es tut
immer wieder gut, wenn jemand vernünftig ist. Bitte denken Sie
nicht zu schlecht von mir. Ich wünsche Ihnen viel
Glück.«
Man duschte ihn, versorgte seine Verletzungen, und nach einer
ärztlichen Untersuchung bekam er einen Teller Suppe und einen
papierdünnen Overall und konnte gehen. Als man ihn durch die
Türen ins Freie führte, soweit in einem Habitat davon die
Rede sein konnte, sah er sich um. Er war irgendwo im Palast des
Diegesian gewesen.
Im Nest ging alles drunter und drüber. Die Räume waren
geplündert und verwüstet worden, alles war zerbrochen oder
mit einem stinkenden, zum Erbrechen reizenden Schaum besprüht,
der sonst zur Massenkontrolle eingesetzt wurde. Sie gingen in eine
Bar, aber sie redeten nicht über das, was nach der Demonstration
und ihrer Niederschlagung geschehen war. Stattdessen
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