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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Stunden würde er sich
genau unter dem Haus befinden. Fassin stellte eine neue Rechnung auf.
Es wäre machbar. Er verfasste eine Nachricht, in der er sich
jede Störung verbat, und schickte sie an den Schirm an der
Bibliothekstür.
    Fassin passierte die Geheimtür etwa eine Stunde, nachdem er
die Bibliothek betreten hatte. Er ließ das Gasschiffchen
wachsen, indem er die Trimmzellen erweiterte, so dass im Innern
Vakuumräume entstanden und die Außenform größer
und nahezu kugelförmig wurde. Dadurch fiel er zunächst sehr
langsam und erzeugte unter dem Haus nur geringe Turbulenzen. Dann
verkleinerte er das Pfeilschiff, bis es nur noch so schmal wie ein
Wurfpfeil und entsprechend schwerer war, tauchte antriebslos in die
schwarzen Tiefen ein und durchstieß die Grenze des nahezu
statischen Zylinders aus verdünntem Gas, des einzigen
Überbleibsels jenes uralten Sturms.
    Zwanzig Kilometer tiefer fuhr er die Triebwerke hoch, brachte das
Schiff auf ebenen Kiel und entfernte sich dreißig Kilometer zur
Seite. Dann stieg er rasch nach oben und schoss durch das
allmählich abkühlende und dünner werdende Gas, bis er
die Dunstschichten durchdrungen und die oberste Wolkenschicht
erreicht hatte. Dort tarnte er das Pfeilschiff, soweit das
möglich war, und ging auf Höchstgeschwindigkeit. Das
Gasschiff war ursprünglich für solche Kapriolen nicht
geschaffen, aber im Lauf der Jahre von ihm selbst und Hervil Apsile
immer wieder umgebaut worden. Nun war es zwar noch immer nicht mit
einer echten Militärmaschine zu vergleichen, glitt aber
unauffälliger als fast jedes andere Schiff innerhalb der
Gasriesen-Atmosphäre über die Oberfläche des Planeten
(die üblichen grotesken Dweller-Geschichten von unsichtbaren
Raumschiffen, trägheitslosen Antrieben und
Nullpunkt-Subraum-Fliegern natürlich nicht mitgerechnet).
    Das Schiffchen zog unter dem fahlgelben Himmel dahin. Ober Fassin
wurden die Sterne langsamer, und als er die Summe der
Rotationsgeschwindigkeit des Planeten und der Geschwindigkeit des
Atmosphärebandes überschritt, das unter ihm in die gleiche
Richtung raste, schienen sie gar in den Rückwärtsgang zu
schalten. Als nach knapp einer Stunde Flug weder über noch unter
ihm irgendetwas zu sehen war, was Anlass hätte geben
können, in diesem Universum Leben zu vermuten, wurde er
langsamer und ließ sich fallen – eine Pfeilspitze ohne
Schaft, die geradewegs auf das Herz des Planeten zielte. Er
nützte die steigende Dichte des Gases zum Bremsen und
spürte, wie die Reibungshitze durch den Rumpf des Gasschiffs und
in sein Fleisch kroch.
    Durch die obere Grenzzone – sie war mehrere Kilometer dick,
aber nicht scharf umrissen und schlug oft große träge
Wellen oder bildete willkürlich Berge und Täler –
drang er in die eigentliche Scherströmung ein und kreiste durch
die erdrückend zähe, geleedicke Atmosphäre. Wenn der
WolkenTunnel-Abschnitt noch existierte, müsste er hier in den
Tiefen sein und im allmählich wachsenden Druck des Wasserstoffs
auf dem Weg vom Gas zur Flüssigkeit langsam auf ein
Gleichgewicht zwischen Schwerkraft und Auftrieb zusteuern.
    Natürlich könnte die Röhre auch die
entgegengesetzte Richtung eingeschlagen haben und zur obersten
Wolkenschicht aufgestiegen sein, aber das wäre
ungewöhnlich. Verlassene WolkenTunnel waren von
Vakuumröhren durchzogen und neigten dazu, sich im Lauf der
Jahrtausende durch Osmose mit Gas anzureichern und schwerer zu
werden. Bei Fassins Besuch vor zweihundert Jahren hatte Valseir
bereits zusätzlichen Auftrieb gegeben, damit der Tunnel nicht zu
schnell sank und den ganzen Wohn- und Bibliothekskomplex mit
hinabzog. Außerdem hätte das verlassene Stück, wenn
es gestiegen wäre, im gleichen Atmosphäreband bleiben und
irgendwo auf den Karten der Poaflias auftauchen müssen,
und das war nicht der Fall.
    Er zog weiter seine Spiralen, hielt die Geschwindigkeit niedrig
und setzte seine Schallsensorik nur sehr behutsam ein, um es etwaigen
Lauschern schwerer zu machen, ihn zu finden. (Könnte ihm der
Colonel gefolgt sein, ohne dass er es merkte? Wahrscheinlich schon.
Aber warum sollte sie? Dennoch hatte er das Gefühl,
möglichst diskret vorgehen zu müssen.) Mit Licht war nicht
viel zu erreichen. WolkenTunnelwände wären hier unten fast
durchsichtig. Sonden, die auf Magnet- oder Strahlungsspuren
ansprachen, nützten noch weniger, und Geruchsspuren gab es
sicher auch nicht.
    Nach zwei Stunden – die Zeit, die er, ohne Verdacht zu
erregen, außerhalb des Hauses

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