Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
verbringen?«
»Ich glaube, du bist jetzt meine Familie«, sa gte Meredith. Dann fügte sie hinzu: »Außerdem musst du auch nach Hause und deine Sachen packen.«
»Warum?«
»Weil ich möchte, dass du hier mit mir einziehst.«
»Was?«
»Zieh hier mit mir ein.«
»Merde, das ist viel zu früh.«
»Du wolltest doch schon vor London bei mir einziehen.«
»Das war ein Scherz.«
»War es nicht.«
»Ich war … beschwipst vor Glück.«
»Mit Betonung auf Glück.«
»Mit Betonung auf Glück.«
»Deine Wohnung ist zu klein. Meine Wohnung ist zu … zu sehr meine Wohnung. Diese Wohnung hier ist genau richtig«, sagte Mer edith. »Außerdem würde meine Großmutter sagen, dass du auch hier wohnen sollst.«
»Glaubst du?«
»Ganz sicher sogar.«
»Meinst du, sie hätte mich gemocht?«
»Spinnst du ? Sie hätte dich geliebt!«
»Was macht dich da so sicher?«
»Du bist intelligent, d u bist witzig. Du bist Baseballfan. Du machst gutes Popcorn. Aber vor allem bist du wahnsinnig lieb zu ihrer Enkelin.«
»Ich bin arbeitslos. Großmütter hassen Arbeitslose.«
»Dass du nett zu ihrer Enkelin bist, wiegt schwerer. Glaub mir«, versicherte ihm Meredith.
»Ich wünschte, ich hätte sie gekannt«, sagte Sam. »Sie scheint ein toller Mensch gewesen zu sein.«
»Ich find’s selber unglaublich, dass du sie nie kennengelernt hast. Und nie kennenlernen wirst.«
»Klar werde ich sie kennenlernen.«
»Wie das?«
»Indem ich in ihrer Wohnung lebe«, erklärte Sam. »Indem ich ihre Enkelin liebe.«
Das Packen ihrer Sachen und der Umzug in Livvies Wohnung dauerte ein paar Wochen. Aber schon am ersten Abend, nachdem ihre Familie wieder abgereist war, ging Meredith in ihre alte Wohnung und knotete die Modellflugzeuge los. Als Sam ihr neues gemeinsames Domizil betrat, fand er ein frisch bezogenes Bett, zwei Hunde in der Küche und Hunderte Modellflugzeuge an der Decke vor. Er zog Meredith ins Schlafzimmer, um es ordnungsgemäß einzuweihen. Danach sah Sam zu, wie die Flugzeuge schaukelnde Schatten auf ihre Körper warfen: Flugzeugschatten auf seiner Brust, seinem Bauch, seinen Füßen, Schatten, die wie eigenartige Tätowierungen über Merediths Gesicht und ihre Brüste tanzten und ihren Bauchnabel umkreisten, als wäre er ein Luftwaffenstützpunkt.
»Wie viele hast du eigentlich?«, fragte Sam.
»Keine Ahnung, wenn ich ehrlich bin. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen.« Sie hob ein nacktes Bein und zeigte mit den Zehen auf ein Hellcat-Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg, das in der Zimmerecke hing und rosa und lila bemalt war. »Das war mein erstes. Mein Vater hat es zusammengebaut, aber ich habe es lackiert.«
»Hab ich mir schon gedacht.«
»Ic h mochte kein Kriegsspielzeug, aber wir wohnten auf einer Insel und es war nicht leicht, an Modellbausätze heranzukommen, die keine Kriegsflugzeuge waren. Also habe ich die Kriegs-Insignien einfach mit bunten Herzchen und Blümchen übermalt, kleine Plastiktiere ins Cockpit gesetzt und die Geschütze durch Salzstangen ersetzt.«
»Warum hast du überhaupt damit angefangen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, es gab keinen konkreten Grund. Vielleicht wollten mir meine Eltern eine Aufgabe geben, bei der ich mich konzentrieren musste, damit ich nicht im Töpferstudio herumflitzte und alles kaputt machte. Wenn man mit Töpfern sein Geld verdient und ein Kleinkind hat, muss man sich etwas ausdenken.«
»Hast du dich vielleicht danach gesehnt zu fliegen? Wolltest du ausbrechen?«
»Nein, ich glaube, es ging mehr darum, etwas zu schaffen. Du weißt schon. Seht her, was ich kann: einen Haufen Holz und eine Tube Klebstoff und ein bisschen Farbe nehmen und den ganzen Nachmittag daran herumbasteln, bis ein Flugzeug herauskommt. Vielleicht war es das, was meine Eltern mir vermitteln wollten: das Gefühl, alles schaffen zu können.«
»Ich hätte dich zu gerne damals schon gekannt«, sagte Sam.
»Warum?«
»Weil du bestimmt das schlauste, süßeste, lus tigste kleine Mädchen der Welt warst.«
»Ja, ab er es wäre ganz schön unheimlich, wenn du das über mich als Sechsjährige gedacht hättest.«
»Nicht wenn ich auch sechs gewesen wäre. Ich hätte dir bei deinen Modellflugzeugen helfen können.«
»Das kannst du doch jetzt immer noch.«
»Und wo stellen wir die alle hin?«, fragte Sam.
»Genau deshalb habe ich angefangen, meine Flugzeuge an die Decke zu hängen. Weil ich keinen Platz mehr im Regal hatte. Außerdem gehören sie da hin. Schließlich sind
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