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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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verließ. Sie waren schon am Ende, bevor sie richtig angefangen hatten. Irgendwann hob Eduardo langsam den Blick, rieb sich die Augen und fragte: »Wie lange muss ich warten, bis ich es noch mal versuchen kann?«
    Meredith brachte ihn zur Tür, während Sam den Löschvorgang startete. Dabei kam ihm der Gedanke, dass sowohl Kunden als auch Projektionen die Chance auf einen zweiten Versuch brauchen würden.
    Am Nachmittag desselben Tages tauchte die zweite Kundin auf. Wie Eduardo machte auch Avery Fitzgerald einen wohlhabenden, weltläufigen und gepflegten Eindruck (Sam fragte sich langsam, in welchen Kreisen Dash Flüsterpost gespielt hatte). Allerdings war sie im Gegensatz zu Eduardo äußerst beherrscht. Nachdem sie die Geschäftsräume betreten hatte, strich sie sich mit dem Mittelfinger die perfekt frisierten grauen Haare aus der Stirn und kam direkt zur Sache.
    »Mein Mann ist letzten Monat gestorben. Clive. An Krebs. Wie ich er fahren habe, bieten Sie die Möglichkeit, mit ihm zu kommunizieren.« Sie entschied sich für E-Mails und Video-Chats, hatte aber nicht das Bedürfnis, mit ihrem toten Mann per SMS oder Twitter zu korrespondieren. Facebook war in ihren Augen absolute Zeitverschwendung. Wenn ihre Kinder mehr Zeit mit Lernen statt mit Facebook verbringen würden, wären sie längst in Harvard, klagte sie.
    Als sie am nächsten Tag zurückkam, hatte sie sich die Haare geschnitten und gefärbt, und obwohl sie ihren Mann natürlich nicht mehr damit beeindrucken konnte, fasste Sam diesen Umstand als positives Zeichen auf. Sie war ganz offensichtlich darauf vorbereitet, gesehen zu werden – und selbst zu sehen. Und tatsächlich schnappte sie nur kaum merklich nach Luft und schüttelte verwundert den Kopf, als das Chat-Fenster aufging, fand jedoch sofort ihre Stimme wieder.
    »Clive.«
    »Avery, mein Liebling.«
    »Du siehst umwerfend aus, Schatz.«
    »Du aber auch. Deine Haare sind schön. Aber du siehst ein bisschen … blass aus. Dabei bin ich doch derjenige, der krank ist.«
    » Nein, mein Lieber. Du bist tot.« Scheiße, dachte Sam. Musste denn wirklich jeder Kunde seine Projektion damit überfallen? Warum sollte man ein Gespräch mit so etwas anfangen wollen?
    »Noch nicht ganz«, antwortete Clive. Er sagte es traurig und war längst nicht so verwirrt wie Miguel. Sam bemühte sich, nicht zu lauschen, aber natürlich lauschte er doch, denn Clives Reaktion kam auch für ihn überraschend. »Ein bisschen Leben steckt noch in mir. So leicht wirst du mich nicht los.« Clive hatte jetzt feuchte Augen, genau wie Avery.
    »Nein, inzwischen ist es März, Liebling«, sagte Avery sanft. »Du bist vor fünf Wochen gestorben.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Clive verdut zt.
    »Während deiner letzten Chemo hast du dir eine Lu ngenentzündung eingefangen. Deine Lunge hat sich mit Flüssigkeit gefüllt, und du warst einfach nicht mehr stark genug, dagegen anzukämpfen.«
    »Aber die Ärzte haben doch gesagt … dass ich noch mindestens ein paar Monate habe! «
    »Ich glaube, d er Krebs war tatsächlich … unter Kontrolle, aber die Lungenentzündung … Wir waren alle da. Alle waren bei dir, als du gestorben bist. Du bist friedlich eingeschlafen und hattest keine Schmerzen. Ein wahrer Segen.«
    »Und das hier ist … der Himmel?«
    »Nein, Liebling , das ist Technik.«
    Avery kam auch am nächsten Tag und am übernächsten. Sie kam zehn Tage lang und war anfangs froh und erleichtert, mit Clive sprechen zu können. Aber die Projektion wollte über nichts anderes mehr reden als ihren Tod. Sie war völlig davon besessen. Obwohl es der schlimmste Tag in Averys Leben gewesen war, wollte Clive einfach nicht davon ablassen. Sie hätte ihm gerne von den Kindern und ihrer Selbsthilfegruppe erzählt und ihm gesagt, dass sie wieder arbeitete und ins Fitnessstudio ging, aber er wollte nur übers Sterben reden. Avery war die Erste, die die von Sam neu eingerichtete Löschoption einweihte. Beim zweiten Mal sagte sie Clive nichts von seinem Tod.
    Am Ende der zweiten Woche waren Meredith, Sam und Dash immer noch schlaf- und atemlos, aber wenigstens war der Stein ins Rollen gebracht. Dash flog nach Hause, um seine feinen Klamotten auszuführen und nach dem Rechten zu sehen. Meredith und Sam machten am Freitagnachmittag den Salon zu und beschlossen, dass sie sich ein Abendessen in einem guten Restaurant und eine teure Flasche Wein verdient hatten. Leider waren sie dann doch zu müde und schliefen bei Sushi und einem Film auf dem Sofa

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