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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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ein. Als der Abspann lief, wachte Sam mit einem Stück Ingwer an der Wange auf. Nachdem er Meredith wachgerüttelt hatte, ließen sie einfach alles stehen, warnten die Hunde vor dem Wasabi und kletterten ins Bett.
    »Ich glaube, es läuft ganz gut«, murmelte sie, kurz bevor sie erneut einschlief.
    »Was? Dead Mail?«
    Sie lachte. »Ich dachte, so nennen wir es nicht mehr.«
    »S timmt ja, das vergesse ich immer. Aber RePrise klingt für unsere jüngeren Kunden bestimmt viel zu hochgestochen. Wetten, sie greifen auf Dead Mail zurück? «
    Meredith rollte nur mit den Augen. »Ich habe zwar noch nie vorher ein Unternehmen gegründet, aber wenn du mich fragst, waren das zwei ziemlich gute Wochen.«
    »Was mir Sorgen macht «, entgegne te Sam, »ist, dass sie ihren Projektionen unbedingt sagen wollen, dass sie tot sind. Ich verstehe einfach nicht, warum. «
    »Ich schon.« Meredith setzte sich auf und lehnte sich an seine Schulter. Sie war warm und kuschelig und ziemlich nackt. Kurz nachdem sie in Livvies Wohnung gezogen waren, hatten sie ein Schlafanzugverbot ausgesprochen.
    Sam zog sie noch enger an sich heran. »Dann erklär’s mir bitte.«
    »Das ist so, als würde man sich neu verlieben. Die alte Liebe ist weg … für immer. Man hat also diesen Verlust erlitten, aber man sieht aus wie vorher und führt ein Leben, das in vielerlei Hinsicht so ist wie vorher – man wohnt im selben Haus, trägt dieselben Kleider, geht zur selben Arbeit und hat so ziemlich mit denselben Leuten zu tun. Dabei ist man doch vollkommen anders, restlos und unwiderruflich. Ein neuer Mensch, der ein neues Leben in einer neuen Welt führt . Und das will man eben hinausposaunen, denn wie sollen es die anderen sonst wissen?«
    »Es geht also nicht darum, dass sie ehrlich zu ihren Projektionen sein wollen, sondern darum, dass sie ehrlich zu sich selbst sein wollen«, fasste Sam zusammen.
    »So in der Art«, murmelte sie.
    »Und wie kann ich das ändern?«
    »Gar nicht. Sie sagen es ihren Projektionen, und du bringst es wieder in Ordnung. Machst sozusagen Tabula rasa.«
    »Hä?«
    »Löschen und neu starten.«
    Der Löschvorgang war tatsächlich so etwas wie die L ösung, wenn auch keine gute. Jeder Neustart kostete Zeit, Energie, Geld und Mut, dabei hatten die Kunden schon so viel durchgemacht. Erst das Sterben eines geliebten Menschen, sein Tod. Dann die Mutprobe, in den Salon zu kommen. Und danach die erste E-Mail, der erste Video-Chat, die Mischung aus Erleichterung und Entsetzen, wenn sie ihre Projektion zum ersten Mal erblickten. Die Geständnisse. Die Tränen. Das alles schließlich löschen und wieder von vorn anfangen zu müssen war so, als verlören sie ihre Angehörigen noch einmal. Der Weg zur Erkenntnis war steil und dornig, da Kunden wie Projektionen so viel Neues verarbeiten mussten. Für Menschen, die bereits derart viele Rückschläge erlebt hatten, war es besonders schwer, noch einmal von vorn beginnen zu müssen, daher erschien es Sam als richtiger Weg, den Löschvorgang so gut es ging zu vermeiden.
    Er erstellte eine Liste mit goldenen Regeln, sozusagen die zehn Gebote für RePrise, von denen das erste, fettgedruckte lautete: ERZÄHLEN SIE IHRER PROJEKTION UNTER GAR KEINEN UMSTÄNDEN, DASS SIE TOT IST!!!! Meredith schrieb ein halbes Dutzend Dialogvorschläge, die die Kunden als Vorlage nutzen konnten, und Dash überredete einen Freund aus L. A., einen kurzen Lehrfilm mit ihm selbst in der Hauptrolle zu drehen, den sie Neukunden bei der Anmeldung vorführten. Darin wurde aufgezählt, was man sagen durfte und was nicht, und erklärt, warum es keine gute Idee war, seiner Projektion von ihrem Tod zu erzählen. Die Kunden sahen sich das alles an und nickten verständnisvoll. Eine Zeit lang fragte Sam sie hinterher sogar ab und ließ sie erst weitermachen, wenn sie die Regeln verstanden hatten. Auch eine Erklärung ließ er sie unterschreiben: »Hiermit verspreche ich, meiner Projektion nicht zu erzählen, dass sie tot ist.« Aber die Kunden erzählten es trotzdem. Und zwar alle. Es war das Erste, was ihnen über die Lippen kam .
    Die Projektionen nahmen die Neuigkeit nicht besonders gut auf. Die meisten reagierten nicht etwa mit Entsetzen, sondern mit totaler Verwirrung, schließlich war ihr eigener Tod noch kein Thema gewesen, als sie ihre E-Mails oder Facebook-Meldungen verfasst hatten. Deshalb ließ sich auch auf Basis ihrer Internetgewohnheiten und ihrer elektronischen Kommunikation keinerlei Aussage treffen, wie sie darauf

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