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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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widerrechtliche Aneignung nennt? Damit ist gemeint, dass Sie sich Dinge genommen haben, die Ihnen nicht gehören, und deswegen müssen Sie für den Schaden aufkommen, den Sie angerichtet haben. Und haben Sie je von einem anderen Strafbestand gehört, der sich vorsätzliche Erzeugung emotionaler Bedrängnis nennt? Damit ist gemeint, ein gebrechlicher alter Mann betrat ihre Bank und Sie haben Schindluder mit ihm getrieben. Also müssen Sie für den Schaden aufkommen, den Sie angerichtet haben. Und sollte das nicht reichen, können wir Sie wahrscheinlich wegen der Diskriminierung alter Menschen nach Staats- und Bundesgesetzgebung zur Rechenschaft ziehen. Dafür gelten gesetzlich festgeschriebene Schadenersatzsummen, und Sie werden richtig blechen müssen.«
    »Hören Sie, das wird alles nicht nötig sein«, stotterte der Filialleiter. Schweißperlen formten sich auf seiner Stirn.
    »Hat dieses kinnlose Stück Scheiße mich etwa unterbrochen?«, fragte das Telefon.
    »Tut mir, äh, tut mir leid«, sagte Patterson.
    »Ob es Ihnen leidtut oder nicht, interessiert niemanden. Also halten Sie die Klappe«, befahl ihm das Telefon. »Ihre Bank dürfte ja wohl für die zahlreichen vorhersehbaren Fälle versichert sein, in denen Sie sich dämlich oder nachlässig gegenüber Ihren Kunden verhalten oder diese gar verletzen. Wenn zum Beispiel dieser senile alte Mann, den Sie versuchen von seinem Schließfach fernzuhalten, George-fucking-Clooney wäre, der mit seiner »Ocean Eleven«-Scheiße über Ihre Bank herfällt, wäre jede Haftung, die Sie wegen der Fahrlässigkeit tragen müssten, weil Sie ihm Zugang zu einem Schließfach erlaubt haben, von der Versicherung gedeckt. Aber vorsätzlich begangene Delikte wie die erwähnte widerrechtliche Aneignung oder die vorsätzliche Erzeugung emotionaler Bedrängnis wird Ihre Versicherung nicht abdecken. Verstehen Sie, was das bedeutet?«
    Der Filialleiter sah Tequila an. Er hoffte auf einen Ausweg.
    »Sehen Sie mich nicht an«, forderte Tequila ihn auf. »Beantworten Sie die Frage.«
    »Ich bin nicht sicher, was es bedeutet«, sagte Patterson mit leiser, heiserer Stimme.
    »Es bedeutet, wenn Sie diesen Mann nicht seine Sachen sehen lassen, werde ich Sie verklagen. Ich werde Ihnen Ihr Haus nehmen«, kreischte das Telefon. »Sollten Sie Geld angespart haben, um ihre kinnlosen Kinder aufs College zu schicken, werden Sie es mir geben. Sie werden Katzenfutter mampfen, wenn ich mit Ihnen fertig bin. Überhaupt hat das, was Sie tun, kriminelle Züge. Das heißt, Sie werden Knastkost futtern. Ich habe einen Kumpel, der für den Bezirksstaatsanwalt arbeitet. Vielleicht spiele ich heute Nachmittag ein Neun-Loch mit ihm, undwir besprechen dabei, was wir ganz legal mit einem Kerl machen können, der ältere Menschen bestiehlt.«
    »Ich habe nicht …«, sagte Patterson. Es klang wie das Keuchen aus einer zugeschnürten Kehle. »Nein, das habe ich nicht.«
    »Ich glaube nicht, dass es nötig sein wird«, sagte Tequila mit sanfter und beschwichtigender Stimme. »Ich glaube, Mister Patterson wird auf die Stimme der Vernunft hören.«
    Patterson blickte zu den beiden Wachleuten, die ein ganzes Stück zurückgetreten waren. Er sah hinüber zu dem Kassierer, der sich auf seinen Platz am Schalter zurückgezogen hatte. Die Blicke sämtlicher Anwesender waren auf uns gerichtet, das Geschnatter der morgendlichen Kundschaft war verstummt und einer Grabesstille gewichen.
    Eine Träne rollte über Pattersons feiste Wange, über die Andeutung einer Kieferpartie und den Hals hinunter, bis sie den Hemdkragen nässte.
    »Meine Herren«, sagte der Filialleiter zu seinen Wachleuten. »Die Unterschriftenkarte weist meiner Ansicht nach eine deutliche Übereinstimmung auf. Holen wir für Mister Winters die Schließfachkassette aus dem Tresorraum.«
    »So hab ich mir’s gedacht«, sagte das Telefon.

31
    Die beiden Wachleute geleiteten mich und Tequila in einen kleinen Büroraum, wo wir die Schließkassette untersuchen konnten.
    »Wir mussten alle drei zusammen anpacken, um das Ding hochzuheben«, sagte Patterson. »Ist echt schwer. Was um Himmels willen haben Sie da drin?«
    »Geht Sie gar nichts an«, klärte ich ihn auf. »Und jetzt raus!«
    Patterson öffnete mit seinem Schlüssel eines der beiden Schlösser der Kassette und ließ uns dann allein. »Worauf wartest du noch?«, fragte Tequila. »Mach das Ding auf.«
    Ich trommelte mit den Fingern auf dem Kassettendeckel. »Was zum Teufel sollte das mit dem Telefon?«,

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