Der Altman-Code
weder Washington noch Beijing. Früher oder später wird Major Pans Geheimpolizei sie aufspüren. Sie und Ihr Geld sind ihre beste Chance, mit ihren Kindern so weiterzuleben, wie sie sich das vorstellen. Deshalb haben Sie natürlich Recht: Sie werden auf der Hut sein. Und das heißt, sie werden sich abzusichern versuchen. Aber wie Li Kuonyi am Telefon ganz richtig gesagt hat: Es bleibt Ihnen keine Wahl.«
»Hoffentlich haben Sie diesmal Recht.«
»Ein zweites Mal legen sie mich nicht herein.« Fengs Augen schienen sich zu verdunkeln.
»Seit Shanghai ist Ihnen die Frau immer einen Schritt voraus.«
»Das wird sie unvorsichtig machen.« McDermid dachte nach. Er war kein sportlicher, kräftiger Mann, aber er war auch kein Schwächling. Auf jeden Fall wäre er in der Lage, diesen Schlafenden Buddha, egal, wo er war, zu Fuß zu erreichen, und er war ein guter Schütze. Er hatte als Lieutenant Vietnam überlebt, obwohl sie Lieutenants dort zum Schweinefüttern verwendet hatten, und er hatte Washington auf deren eigenem Spielfeld geschlagen, indem er sich als der Insider schlechthin etabliert hatte. Alles in allem betrachtet, fand er, war die Beschaffung des Dokuments viel zu wichtig, um die Sache Feng allein anzuvertrauen.
»Wir fahren beide hin«, entschied er. »Sie noch heute Abend, ich komme morgen Abend nach. Wer ist Ihr Kontakt in Beijing?« McDermid wollte immer dringender wissen, wer so viel Einfluss hatte, dass er nicht nur ein U-Boot zur Überwachung der John Crowe anfordern konnte, sondern sogar dazu in der Lage war, den Kommandanten dieses U-Boots gegen die amerikanische Fregatte vorgehen zu lassen, und dies lediglich aufgrund einer unbestätigten Information, dass ein SEAL-Kommando heimlich an Bord der Empress zu gelangen versuchte.
Feng zog eine Augenbraue hoch. »Sie bezahlen mich nicht dafür, dass ich Ihnen Namen nenne. Sie bezahlen mich dafür, dass ich diese Sache durchziehe.«
»Ich bezahle Sie, dass Sie gefälligst das tun, was ich sage!«
»So viel zahlt mir niemand, Taipan.« In Fengs Stimme schwang Verachtung mit.
Während McDermid Feng finster anstarrte, zeigte dessen Miene keine Regung. Die Feng Duns dieser Welt waren für McDermid nur Statisten – notwendig, aber von begrenztem Wert. Männer wie ihn setzte er schon zwanzig Jahre lang bei allen möglichen Projekten ein. Gefunden hatte er sie im weltweiten Untergrund von Söldnern, Spezialagenten und Auftragskillern, die sich in diesem Geschäft nicht nur dank ihrer Cleverness und Kompetenz hielten, sondern auch dank ihrer Beziehungen. Um weitere Aufträge zu erhalten, versuchten sie die jeweils aktuellen möglichst gut zu erledigen.
»Die Altman Group ist an verschiedenen Firmen in Chongqing beteiligt«, sagte McDermid schließlich, um dieses Thema erst einmal abzuhaken. »Besorgen Sie mir von Ihrem Freund in Beijing eine Genehmigung, geschäftlich dorthin zu fliegen. Natürlich brauche ich die Papiere auf der Stelle.«
»Und das Geld?«
»Darum kümmere ich mich.«
»Sie würden Ihnen tatsächlich zwei Millionen geben?« Feng klang fast beeindruckt.
McDermid nickte. »Ohne das Geld können wir Li Kuonyi nicht überlisten. Außerdem sind zwei Millionen nichts im Vergleich zu dem, was bei einem erfolgreichen Abschluss der Sache für mich herausspringt.«
»Fürchten Sie denn nicht, das Geld könnte mich oder meine Männer in Versuchung führen?«
»Sollte ich das?« McDermid sah Feng forschend an.
»Sie erhalten eine hohe Prämie, wenn alles vorbei ist.«
»Ihre Großzügigkeit ist bekannt.« Fengs sanfte Stimme hatte fast etwas Gespenstisches. »Ich bereite meine Leute auf die Operation vor und beschaffe Ihnen die nötigen Papiere, Taipan.« McDermid sah ihm nach, als er das Büro verließ. Wieder hatte er aus der Verwendung des alten Titels Taipan die Verachtung herausgehört.
Dazu Dennis Chiavelli schwitzte in der für die Jahreszeit unüblichen Hitze des frühen Septembernachmittags, als er die grünen Bok-Choy-Köpfe von ihren Wurzeln trennte und in die Schubkarren warf, die von älteren Häftlingen die langen Gemüsefelder entlanggeschoben wurden. Die Arbeit war anstrengend, aber geistig anspruchslos, sodass er in Ruhe darüber nachdenken konnte, wie glücklich er sich schätzen konnte, ein Soldat hinter feindlichen Linien zu sein und kein Feldarbeiter, der sich den Buckel krumm schuften durfte.
Das leise Flüstern war wie ein Windhauch. Bloß wehte kein Wind. »Sie verlegen den alten Mann.«
»Wann?«
»Morgen«, sagte der Wärter,
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