Der Altman-Code
Rasenfläche für Krocket und Boccia. Es roch nach frisch gemähtem Gras.
Unwillkürlich sah er einen von Heimweh geplagten britischen Teehändler vor sich, der hier Trost suchte.
Im gespenstischen Mondlicht bot der Garten kaum Deckung, aber auch die bizarren Schatten, die die kunstvoll beschnittenen Bäume und Sträucher warfen, erfüllten ihren Zweck. Rasch hatte Smith eine kleine Baumgruppe in der Nähe des Hauses erreicht. Als er darum herumschlich, entdeckte er auf der Seite eine sechs Autos fassende Garage, in der sich jedoch nur zwei befanden – ein großer schwarzer Mercedes und ein silberner Jaguar XJR.
Im Haus waren weder Licht noch ein offenes Fenster zu sehen.
Smith kam wieder auf der Vorderseite des Hauses an.
Der riesige Messingtürklopfer an der kunstvoll verzierten Eingangstür wurde vom Mondlicht versilbert. Smith studierte die Tür. Sie lag nicht in eine Nische zurückversetzt, und der Mond schien direkt auf sie. Mondlicht verzerrt die Perspektive und erschwert die räumliche Wahrnehmung. Eigentlich hätte gar kein Schatten auf der Tür liegen dürfen. Woher kam dann der Schatten, der ein Viertel der Tür einzunehmen schien? Die Antwort war, dies war kein Schatten. Die Tür stand ein wenig offen, und was Smith für einen Schatten gehalten hatte, war das dunkle Innere des Hauses.
Eine Falle? War ihm jemand gefolgt, obwohl er auf der
Fahrt hierher alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte? Das Haus und der Garten wirkten jedenfalls verlassen. Dennoch war nicht auszuschließen, dass er irgendetwas oder irgendjemanden übersehen hatte.
Er zog seine Beretta, machte ein paar Schritte nach links, kehrte wieder zur Eingangstür zurück und lauschte erneut.
Alles war still, kein Laut war zu hören. Die Beretta in beiden Händen, drückte er die Tür mit der Spitze seines Sportschuhs vorsichtig weiter auf. Die Tür war gut geölt und öffnete sich lautlos. Wo waren die Hausangestellten, die alles so gut in Schuss hielten? Er öffnete die Tür ganz.
Die holzvertäfelte Eingangshalle war von zinnfarbenem Mondlicht erleuchtet, das durch Tür und Fenster fiel. Im hinteren Teil führte eine elegant geschwungene Treppe nach oben.
Die weichen Sohlen seiner Schuhe machten kaum ein Geräusch, als er das Haus betrat. Er blieb stehen, um in den Raum links von ihm zu spähen. Es war ein Esszimmer, architektonisch im viktorianischen Stil, aber alles darin war chinesisch, vom geschnitzten Holztisch bis zu den Wandschirmen in den Ecken.
Er schlich nach rechts. Ein weiterer offener Bogendurchgang öffnete sich auf ein Wohnzimmer, zweimal so groß wie das Esszimmer. Dort war es dunkel und fast vollkommen still. Stirnrunzelnd lauschte Smith. Er konnte jemanden leise weinen hören.
Bagdad, Irak Das Einzige, was in Bagdad nicht knapp oder unerschwinglich war, war Öl. Wie üblich herrschte um fünf Uhr nachmittags auf jeder größeren Straße der alten Metropole dichter Verkehr. Dr. Kamil Hussein dachte voller Bitterkeit, wie knapp alle Dinge waren, die importiert oder im Land hergestellt werden mussten, als er sich in seinem blitzenden Mercedes durch den zähen Strom aus Autos und Lkws kämpfte, der sich in Richtung Stadtzentrum wälzte. Er erledigte gerade einen gefährlichen Auftrag. Das Leben seiner der Elite des Landes angehörenden Patienten hing von den aus dem Ausland kommenden Medikamenten ab. Wenn es ihm nicht gelang, die Antibiotika, Beruhigungsmittel, Antidepressiva und sonstigen nur im Westen erhältlichen Medikamente zu besorgen, nach denen sie verlangten, würden sie zu einem anderen Arzt gehen … oder Schlimmeres.
Er wusste nicht, auf welchem Weg die elegante Französin herausgefunden hatte, wie er an seine geschmuggelten Medikamente kam. Aber sie kannte jeden Namen und Ort, jeden Kontakt, jeden dunklen Kanal, jede geheime Übergabestelle. Käme der Regierung oder den Republikanischen Garden auch nur eine Silbe davon zu Ohren, bedeutete das sein Todesurteil.
Seine Kehle war trocken vor Angst, als er das Hochhaus erreichte, das in besseren Zeiten erbaut worden zu sein schien. Er stellte den Wagen in der Tiefgarage ab und fuhr mit dem Lift zum Büro der Tigris Export-Import GmbH, Düngemittel und Schädlingsbekämpfung hinauf. Gerüchten zufolge war die GmbH eine der Tausenden von Firmen, die über Strohmänner dem Präsidenten und seiner Familie gehörten.
Nadia, die besorgte Sekretärin, erwartete ihn händeringend. »Er ist einfach zusammengebrochen, Dr. Kamil.
Wie aus heiterem
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