Der Altman-Code
Gesicht war von unausgesprochenen Bedenken verdüstert, als er den Kopf schüttelte. »Stell dir mal vor … ich wollte diesen Job unbedingt haben. Ich habe mich richtig darum gerissen, ihn zu bekommen.« Dann beugte er sich vor und fragte leise: »Was geschieht eigentlich bezüglich David Thayer?«
»Sobald wir den genauen Standort des Lagers wissen, schicke ich einen Agenten hin, um Kontakt mit ihm aufzunehmen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptung zu überprüfen.« Der Präsident nickte. »Ich ziehe inzwischen schon die Möglichkeit in Betracht, dass das Menschenrechtsabkommen nicht zu Stande kommt – was ich zutiefst bedauerlich fände.«
»Wenn das tatsächlich der Fall sein sollte, müssten wir uns über eine Befreiungsaktion Gedanken machen.«
»Was für eine Art von Befreiungsaktion?«
»Eine kleine Einheit. Wie groß genau, mit wie viel Mann und Ausrüstung, hängt von den Sicherheitsvorkehrungen und der Umgebung des Lagers ab.«
»Du bekommst jedenfalls alles, was du dafür benötigst.« Klein beobachtete seinen alten Freund aus dem Dunkeln heraus. »Habe ich dich eben richtig verstanden, dass du für so eine Mission bereits grünes Licht erteilst?«
»Sagen wir mal, ich halte mir alle Möglichkeiten offen.« Als der Präsident kurz die Augen schloss, schien sich tiefe Wehmut über sein Gesicht zu legen. Sie war rasch verflogen. Er stand auf. »Wir bleiben in Verbindung. Tag und Nacht.«
»Sobald ich etwas Neues erfahre.«
»Gut.« Castillas breite Schultern wirkten kantig, und er ging aufrecht, als er die Tür öffnete und den Raum verließ, worauf er sofort von drei Agenten des Secret Service umringt wurde, die ihn zum Ausgang des Gebäudes begleiteten.
Fred Klein hörte, wie der Motor des Lincoln ansprang und die Reifen der schweren Limousine knirschend über den Kies rollten. Er stand auf und ging zu einem großen Bildschirm an der Wand des Büros. Ihm schossen unzählige Ideen und Bedenken durch den Kopf, als er auf einen Knopf drückte. Der Bildschirm leuchtete auf. Eine detaillierte Landkarte von China erschien. Klein verschränkte die Hände im Rücken und studierte sie aufmerksam.
Shanghai In seinem Hotelzimmer hielt Smith die Beretta weiter auf den als Kellner getarnten Mann gerichtet. »Wer ist ›Mondragon‹ und was ist mit diesem alten Mann?«
»Jetzt lassen Sie doch endlich dieses Getue, Colonel.
Dafür ist jetzt nicht die Zeit.« Er schlüpfte aus seiner wei
ßen Kellnerjacke und der weiten Hose. Darunter trug er die typische Garderobe junger Shanghaier: weißes Hemd, bügelfreie dunkelblaue Hose, dunkelblaues Sakko.
»Wir haben Mondragon einen unserer Leute hinterhergeschickt, um sicherzugehen, dass er die Information auch an euch Amis weitergibt. Wissen Sie noch? Die Geschichte auf der Insel Liuchiu? Der Hinterhalt? Wie es Mondragon erwischt hat? Sie sind danach nach Kaohsiung zurückgekehrt, und wir haben Sie seitdem nicht aus den Augen gelassen. Jetzt zufrieden?« Dennoch blieb Smiths Waffe weiter auf den Mann gerichtet. »Was sollte die öffentliche Sicherheit für ein Interesse an mir haben?«
»Jetzt lassen Sie doch endlich diesen Quatsch! David Thayer könnte die Chance für uns werden, die Weltöffentlichkeit darauf hinzuweisen, was in China tatsächlich geschieht. Die öffentliche Sicherheit wird schon ihre Gründe haben, weshalb sie hinter Ihnen her ist, aber das sind sicher andere als unsere.«
»Waren Sie das in dem Land Rover?« Asgar Mahmout seufzte übertrieben. »Queen Elizabeth war es jedenfalls nicht. Und jetzt ziehen Sie endlich diese Sachen da an, bevor sie uns noch beide kriegen.« Asgar Mahmout war kein chinesischer Name, und mit seinen runden Augen und seiner dunklen Haut sah er auch nicht aus wie ein Chinese. Er sprach von ›wir‹. Wir haben Mondragon einen unserer Leute hinterhergeschickt. Gehörte er irgendeiner im Untergrund operierenden Dissidentengruppe an? Jedenfalls leuchtete Smith ein, was der Mann sagte: Falls seine Leute ihn tatsächlich observiert hatten, seit er sich auf Liuchiu mit Avery Mondragon getroffen hatte, könnten sie ihn auf diesem Weg ausfindig gemacht haben. Und das hieß, dass die Geheimpolizei des Ministeriums für öffentliche Sicherheit wahrscheinlich wirklich unten war und ihm auflauerte.
Smith legte die Beretta auf den Couchtisch, zog seinen Anzug aus und schlüpfte rasch in die Sachen, die Mahmout ihm gegeben hatte – dunkelblauer Mao-Anzug, VBA-Mütze, hellblaues Hemd mit schmutzigem Kragen und chinesische
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