Der Altman-Code
Sandalen.
»Nehmen Sie nur das Allernötigste mit.« Mahmout hatte den Servierwagen in Richtung Tür herumgedreht und öffnete sie.
Smith griff sich seinen Rucksack, steckte die Beretta ein und folgte ihm auf den Hotelflur hinaus. Es war niemand zu sehen. Mahmout rannte mit dem Wagen von den Liften fort nach rechts und um die Ecke zu einem Lastenaufzug.
Die Tür stand offen. »Das nenne ich Glück«, sagte er zufrieden und schob den Servierwagen hinein. Smith folgte ihm. Als sich die Tür schloss, hörten sie einen Gästelift auf ihrer Etage anhalten. Die Tür ging zischend auf, und Schritte stürmten den Flur hinunter.
Begleitet von wütendem, ungeduldigem Klopfen und scharfen chinesischen Befehlen, die so laut waren, dass sie durch die Wände drangen, fuhr der Lastenaufzug nach unten.
»Hört sich so an, als wären sie vor Ihrem Zimmer«, sagte Mahmout.
Smith nickte. Gleichzeitig fragte er sich, wie lang es dauern würde, bis die Geheimpolizei merkte, was passiert war und wohin sie verschwunden waren.
Im Erdgeschoss schob Mahmout den Wagen ins Foyer hinaus.
»Man kommt auch durch die Küche nach draußen«, sagte Smith.
»Ich weiß. Diesen Ausgang haben Sie heute schon mal benutzt. Mit diesem jungen Han-Chinesen. Wer war das? Wo ist er jetzt?«
»Ein Dolmetscher. Inzwischen ist auch er tot.« Mahmout schüttelte den Kopf. »Sie sind ja ein wahrer Glücksbringer, Colonel. Da sollte ich besser nicht nur auf Sie aufpassen, sondern auch auf mich. Wer hat ihn auf dem Gewissen?«
»Ich vermute, ein gewisser Feng Dun und seine Leute.«
»Nie gehört.« Zusammen mit Smith eilte Mahmout durch die von Essensdüften erfüllten Gänge hinter der Küche zum Ausgang für die Hotelangestellten. Sie ließen den Servierwagen stehen und traten vorsichtig nach draußen, wo ihnen sofort lauter Großstadtlärm entgegenschlug. Die dunkle Seitenstraße führte links zur Nanjing Dong Lu und ihren Menschenmassen, rechts zu der hinter dem Hotel verlaufenden Straße.
»Haben Sie den Land Rover dabei?«, fragte Smith.
»Sind Sie verrückt? Hier doch nicht.« Die Rufe kamen weder von links noch von rechts, sondern von hinten, aus dem Hotel. Die Beamten der Geheimpolizei hatten sogar noch schneller geschaltet, als Smith befürchtet hatte.
»Los!« Wie ein Windhund schoss Mahmout nach rechts davon.
Smith rannte neben ihm her. Hinter ihnen rückte das Babel der Nanjing Dong Lu in immer weitere Ferne. An der Ecke ertönten hektische Rufe, und laute, rasche Schritte kamen hinter ihnen her. Sie bogen wieder nach links, fort von Bund und Fluss, und rannten, immer wieder besorgte Blicke nach hinten werfend, über die schmale Seitenstraße in eine kleine Gasse und dann noch einmal in eine andere.
Mahmout hatte inzwischen einen anstrengenden, weit ausholenden Laufschritt eingeschlagen. Smith, schweißüberströmt und vollkommen orientierungslos, hatte keine Ahnung mehr, wo sie waren oder wohin sie liefen. Mahmout führte ihn durch ein verwirrendes Labyrinth von Gassen und schmalen Seitenstraßen, auf denen sie sich ohne Verschnaufpause Haken schlagend, ausweichend, springend, fintend vorbei an schimpfenden Fußgängern, Fahrradparkplätzen, Baustellen, herumliegenden Trümmern, Straßenverkäufern, auf dem Gehsteig geparkten Autos und rote Ampeln überfahrenden Fahrzeugen – von rechts wie von links – einen Weg bahnten.
Von unzähligen stinkenden Gerüchen und durchdringenden Geräuschen attackiert, hetzten sie keuchend dahin, duckten sich unter aufgehängter Wäsche hindurch, sprangen über Kochfeuer, umrundeten Müllhaufen und wichen kaum den zwischen Straße, Gasse und Gehsteig nicht unterscheidenden Fahrrädern und Motorrädern aus. Und die ganze Zeit wurden sie weiter von aufgeregten Rufen und lautem Fußgetrappel verfolgt, manchmal näher, manchmal weiter weg, aber immer da, wie ein böser Traum.
Zweimal wich Mahmout abrupt zur Seite aus, wenn plötzlich neue Verfolger vor ihnen auftauchten und ihnen den Weg zu versperren versuchten. Einmal hielt nur wenige Meter vor ihnen unter lautem Reifenquietschen ein Auto, worauf sie auf gut Glück in das nächste Gebäude stürmten und auf der Rückseite in einer anderen Seitenstraße herauskamen.
Die Verfolger waren ihnen so dicht auf den Fersen, dass ihnen keine Zeit blieb, um ein paar Worte zu wechseln oder Fragen zu stellen. Keine Zeit, um auszuruhen.
Keine Verschnaufpause, egal, in welcher Hinsicht.
Smith war sicher, kilometerweit gelaufen zu sein. Er hatte jedes
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