Der Altman-Code
Pan berichtete ihm alles, was von dem Zeitpunkt an passiert war, als seine Agenten in Smiths Hotelzimmer eingedrungen waren, festgestellt hatten, dass er dort alles, seine Kleider eingeschlossen, zurückgelassen hatte, und ihn in der U-Bahn bis zu den longtangs der Französischen Konzession verfolgt hatten.
General Chu hörte aufmerksam zu. Als der Major endete, dachte er kurz nach. »Sie haben noch immer keine Ahnung, aus welchem Grund dieser vermeintliche Wissenschaftler nach Shanghai gekommen ist?«
»Seine wissenschaftliche Qualifikation steht vollkommen außer Frage. Er ist, was er zu sein behauptet. Die Frage ist nur, was er sonst noch sein könnte. Wir wissen zwar nicht, warum er hier ist, aber es beginnen sich bereits ein paar mögliche Antworten auf diese Frage abzuzeichnen.«
»Was für Antworten?«
»Eine Reihe von Vorfällen, die – zumindest nach meinem Dafürhalten – in eine bestimmte Richtung zeigen.« Major Pan zählte die Punkte an seinen kurzen, dicken Fingern ab.
»Erstens, ein gewisser Avery Mondragon, ein bekannter amerikanischer Sinologe, der in Shanghai schon seit Jahren als Generalrepräsentant zahlreicher amerikanischer Wirtschaftsprojekte tätig ist, ist verschwunden. Seinen Kollegen zufolge wird er seit Mittwochmorgen vermisst.«
Chu beugte sich noch weiter zu Pan vor. »Einen Tag, bevor Colonel Smith in Shanghai eingetroffen ist?« Pan legte den Kopf auf die Seite. »Ein interessanter Zufall, würden Sie nicht auch sagen? Zweitens, in einem Bürogebäude in der Innenstadt hat eine Putzfrau einen Toten entdeckt, und zwar im Büro eines gewissen Yu Yongfu, Präsident und Vorstandsvorsitzender von Flying Dragon Enterprises, einer internationalen Reederei mit Niederlassungen in Hongkong und Antwerpen. Drittens, auch besagter Yu Yongfu und seine Frau scheinen verschwunden zu sein. Zumindest war in seiner Villa niemand anzutreffen, und in der Garage stand kein einziges Auto.«
»Was wissen wir über ihn?« Der Major deutete auf ein Dossier, das aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag. »Das ist seine Akte. Er ist ein junger Mann, der es sehr schnell sehr weit gebracht hat und jetzt reich ist. Dass er der Schwiegersohn von Li Aorong ist, mag das vielleicht erklären helfen. Nachdem Li eine wichtige Rolle im politischen Leben Shanghais spielt und …« Chus Interesse war geweckt. »Ich kenne Li und seine Tochter persönlich. Er ist ein altes und verdientes Parteimitglied. Sicher …«
»Trotzdem scheinen seine Tochter und sein Schwiegersohn verschwunden zu sein, und der Leiter der Finanzabteilung der Firma seines Schwiegersohns ist tot.
Erschossen, um genau zu sein. Ein weiterer Zufall?« Chu setzte sich auf. »Der Tote in Yu Yongfus Büro war der Leiter der Finanzabteilung? Aha. Das ist natürlich hochinteressant. Suchen wir nach Yu und seiner Frau?«
»Selbstverständlich.«
»Und ihrem Vater?«
»Li Aorong wird am Morgen vernommen.« Chu nickte. »Sonst noch etwas?«
»Eine weitere Leiche wurde in einem Auto am Hongqiao Airport gefunden. Ein junger Mann, der als Dolmetscher und Fahrer für Touristen gearbeitet hat. Interessanterweise hat er mehrere Jahre in den Vereinigten Staaten studiert.«
»Wollen Sie damit andeuten, er könnte derjenige gewesen sein, der unserem Colonel Smith geholfen hat?«
»Angestellte des Friedenshotels haben ihn auf einem Foto wiedererkannt. Sie hatten ihn nach Colonel Smiths Eintreffen im Foyer des Hotels gesehen. Ich fasse zusammen: Ein in Shanghai ansässiger Amerikaner verschwindet. Einen Tag später taucht Colonel Smith auf, der Leiter der Finanzabteilung einer Reederei wird ermordet, der Präsident dieser Firma und seine Frau verschwinden, und ein in Amerika ausgebildeter Dolmetscher und Fahrer aus Shanghai wird in derselben Nacht am Flughafen ermordet aufgefunden.«
»Haben Sie eine Theorie?«
»Nur ein mögliches Szenario«, erklärte der Major vorsichtig. »Mondragon fand über Yu Yongfus Firma etwas heraus, von dem er annahm, es könnte für die Amerikaner von Interesse sein. Smith wurde nach Shanghai geschickt, um zu überprüfen, was Mondragon entdeckt hatte, und es an sich zu bringen. Irgendetwas ging schief. Aus irgendeinem Grund wurde der Dolmetscher damit beauftragt, sich Smith als Führer zur Verfügung zu stellen.«
»Falls Sie Recht haben … es gibt also Leute in diesem Land, die nicht wollen, dass den Amerikanern in die Hände fällt, was Mondragon entdeckt hat.« Der Major nickte. »So ist es.« Der General fasste in eine Innentasche
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