Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
auch in der Hand. Die haben alle Bier in der Hand, wollen wohl vorglühen – obwohl, so jung, wie die sind, kommen die doch sowie in keinen Club rein und müssen auf der Straße saufen.
«Tut mir leid, hier gibt’s nichts für euch! Jedenfalls keinen Alkohol.»
«Ist Yasin da?» Eins der beiden Mädchen, eine pummelige Blondine mit rausgewachsenem dunklen Haaransatz, baut sich kriegerisch vor mir auf. «Der verkauft uns immer was!»
«Das glaub ich euch nicht!»
«Woher willst DU das wissen?», sagt sie pampig. «Übertreib ma nich deine Rolle, Hässlichkeit!»
«So, und jetzt reicht’s! Raus hier!»
«Was willst du? Halt’s Maul! Los, Jeremy, gib mal her, den Wodka!» Diese kleine Schlampe! Hetzt die Jungen auf. Einer der Jungen drängt mich wirklich beiseite, der will doch wohl nicht …
Das andere Mädchen zieht den Langen zurück. «Mann, Jeremy, kommt, lass ma gehen! Bringt doch nix!» Ja, gute Idee! Haut ab! Wenn die jetzt hier in der Enge aneinandergeraten, bricht alles zusammen, der Zeitungsständer mit den türkischen Zeitungen wackelt schon bedenklich.
Kaufmannsladen … nee, das hatte ich mir anders vorgestellt. Ich glaube, die Blonde hat sich schon an den Süßwaren bedient, die lacht so dreckig. Wo ist mein Handy? Ich droh denen mit der Polizei, wenn die nicht sofort …
•
Boahhh, ich schlaf gleich ein. Ist das laaaangweilig! Onkel Ali erzählt seit einer geschlagenen halben Stunde, wie schön es in seinem Dorf ist. Und die Schirmer hängt ihm an den Lippen … also zumindest stelle ich mir das vor, weil sie immer nur «Echt?» und «Herrlich!» und «Gibt’s ja gar nicht» sagt.
Wen interessiert schon dieses Kuhkaff? Wenn es dort so wunderbar riecht und so schön ist, warum ist Onkel Ali dann jetzt nicht dort? Er hätte doch mit Emine mitfahren können. Oh nein, jetzt fängt die Schirmer auch noch an, von Side zu quatschen … gleich kommt Onkel Ali bestimmt noch mit Kleopatra Beach in Alanya. Da fahren Elif und Onur aus meiner Klasse immer mit ihrer Familie hin. Mann, die Schirmer soll jetzt mal lieber rausrücken, wie sie den Altmann die Treppe runtergestoßen hat. Aber nein … all-inclusive … ja, ja, ja, hat sie nur einmal gemacht, bla, bla, bla und oh, welch Überraschung, war nicht so gut. Schirmer, du alte Backpackerin.
«Nee, nee, allinklusiwe wär nu janüscht für mich», sagt Onkel Ali. Allinklusiwe – Mensch, Onkel Ali, das ist Englisch, komm doch jetzt nicht so ungebildet rüber!
«Allinklusiwe – hahaha, das ist ja lustig!», kichert die Schirmer. «Das haben Sie aber schön gesagt. Das trifft es genau, all-inclusive, herrlich!» Ah, gut, sie denkt, er macht voll die abgefahrenen Sprachwitze.
«Also, ich bin ja auch eher die spontane Type. Einfach ein Flugticket kaufen und dann sehen, wo man landet. Früher bin ich unheimlich viel getrampt. Meine Güte … wenn ich daran denke, wo ich überall war!» Oh, no, jetzt kommt bestimmt eine längere Abhandlung über die wilde Schirmer-Jugend, armer Onkel Ali.
«Früher ging das ja auch noch – Daumen raus und los. Dreilinden, und ab in den Süden. Transitstrecke, und dann nach Jugoslawien, Italien oder Spanien und alles per Anhalter, sozusagen zum Nulltarif. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Das war dann mit der Wende vorbei.» Die Schirmer seufzt.
«Ja, ja, ick erinner ma noch so jut an die Mauer. Wir ham ja imma direkt anna Mauer jewohnt. Schön war dit. So still. Kreuzberg war so jemütlich. Frau Schirma, sind Se ooch in Berlin jeborn?»
«Nein, nein, leider nicht. Ich komm ursprünglich aus Osnabrück, also auch nicht direkt aus Osnabrück, sondern aus so einem kleinen Vorort. Ich bin aber gleich nach dem Abitur nach Berlin gegangen und habe hier studiert. Mensch, das waren schöne Zeiten … die späten Siebziger und die Achtziger!»
«Dit könnse laut sagn. Berlin war eene Wucht.» Die Schirmer kichert. Sieh an, sieh an, der Onkel Ali macht hier einen auf witzig. «Wissen Se, Frau Schirma …», sagt er ziemlich leise – ich kann ihn kaum noch verstehen: «Wissen Se, mal unter uns jesacht, und verstehn Se dit jetzt nich falsch, aber meinetwejen hättn se die Mauer nich wegmachen müssn.»
«Hüseyin, mein Lieber, da bin ich ganz bei Ihnen.» Hüseyin? Ach ja, Onkel Ali hat sich natürlich mit seinem richtigen Namen vorgestellt.
«Frau Schirma, daruff trinken wa een! Hallo? Bedienung, zwei Raki, bitte!»
«Raki haben wir leider nicht. Grappa oder Amaretto.» Die Bedienung scheint etwas
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