Der Amerikaner - The American
Kealey dachte nach. »Hören Sie, ich denke, wir müssen jetzt von ein paar Spekulationen ausgehen. Das ist riskant,
was mir durchaus bewusst ist, aber meiner Ansicht nach bleibt uns keine andere Wahl. Wir haben viele kleine Spuren, bringen sie aber nicht schnell genug zusammen. Wir müssen von der Annahme ausgehen, dass Vanderveen definitiv vorhat, alle drei auf einmal auszuschalten: Brenneman, Chirac und Berlusconi.«
Harper erinnerte sich. »Sie denken daran, was Gray in Kapstadt gesagt hat.«
»Genau. Vanderveen wurde als Scharfschütze ausgebildet, ist und bleibt aber in erster Linie Pionier und damit Sprengstoffexperte. Will er die drei Politiker gleichzeitig ausschalten, benötigt er mit fast hundertprozentiger Sicherheit eine Bombe. Wenn wir von dieser Hypothese ausgehen, stellt sich die Frage, wo er sie bastelt.«
Harper dachte einen Augenblick nach. »Bestimmt nicht in Washington.«
»Nein, nicht in der Stadt. Hier ist zu viel los, es gibt zu viele potenzielle Zeugen. Zugleich wird er sich nicht zu weit von Washington entfernen wollen. Wenn er mit der Bombe fertig ist, muss er sie mit einem Fahrzeug transportieren. Das ist an sich schon ein Risiko.«
»Also, wo dann? In Virginia, Maryland …«
»Da würde ich mit der Überprüfung kürzlicher Vermietungen beginnen. Wenn wir davon ausgehen, dass er Sprengstoff lagern muss, braucht er ein abgelegenes Haus mit großem Grundstück, wo er ungestört ist. Damit können wir die Suche schon eingrenzen. Wir müssen mit Farmen in ländlichen Gegenden beginnen und uns dann Schritt für Schritt den Vorstädten nähern. Für den Notfall braucht er eine Fluchtroute, weshalb wir Grundstücke ausschließen können, in deren Nähe kein Interstate vorbeiführt.«
Harper blickte Kealey erstaunt an. »Was ist das für eine Strategie, Ryan?«
»Nennt sich OPSEC, operational security . Ihr Sinn besteht darin, die Chance einer Entdeckung zu minimieren, und Vanderveen kennt sie so gut wie ich. Aber es gibt keine Garantien, wir müssen von Hypothesen ausgehen. Deshalb habe ich mit meinem Vorschlag so lange gewartet … Wenn wir Zeit und Arbeit investieren, ich mich aber täusche, haben wir ihm einen großen Vorteil verschafft.«
Der stellvertretende Direktor nickte bedächtig. »Trotzdem, meiner Meinung nach müssen wir jetzt dieses Risiko eingehen. Ich werde Andrews bitten, dem Thema im Terrorist Threat Integration Center höchste Priorität einzuräumen, was auch den Vorteil hat, dass der Secret Service und das FBI einbezogen werden.« Harper lächelte müde. »Ich vertraue Ihnen, Ryan, möchte aber nicht, dass die CIA hier auf eigene Faust agiert. Wenn alles schief geht, soll man nicht nur uns die Schuld in die Schuhe schieben.«
Vanderveen war ganz auf den heikelsten Part seiner Aufgabe konzentriert. Er beugte sich über das Vergrößerungsglas und studierte sorgfältig die mechanischen Verbindungen. Es war nur sehr wenig Lötzinn notwendig, aber die Verdrahtung musste gründlich getestet werden, um sicher zu stellen, dass die Hitze wie vorgesehen abgeleitet wurde. Andernfalls war es möglich, dass die Hitze der Lötpistole die empfindliche Komponente des Handys beschädigte, die den Klingelton auslöste.
Als er hinter sich ein Geräusch hörte, drehte er sich stirnrunzelnd um.
Nicole Milbery lag zusammengekrümmt da, die Arme fest gegen die Wunde pressend, als könnte sie so etwas gegen den entsetzlichen
Schmerz ausrichten. Sie hatte es geschafft, sich ungefähr einen Meter nach vorn zu schleppen, ein Weg, der durch eine Blutspur markiert wurde, war aber immer noch anderthalb Meter von ihrem Handy entfernt.
Vanderveen hatte sie durchsucht, nachdem er sie niedergeschossen hatte, was gar nicht so einfach gewesen war, da die blutende, schreiende Frau sich vor Schmerz gewunden hatte. Trotzdem hatte er das Handy gefunden und erleichtert zur Kenntnis genommen, dass sie zum letzten Mal vor mehr als drei Stunden telefoniert hatte.
Er war in Sicherheit, aber sie hätte um ein Haar alles ruiniert.
Aus Wut und Häme hatte er das Telefon auf den Betonboden gelegt, scheinbar in Reichweite. Als die Blutlache um ihren Körper herum immer größer wurde, hatte sie ihn angebettelt und später laut geflucht, aber er hatte auf keines ihrer Worte reagiert. Dann - er hatte sie schon fast vergessen - hatte er sich umgedreht und fasziniert beobachtet, wie sie sich vor Schmerzen stöhnend zentimeterweise auf das Handy zuschleppte.
Er schüttelte den Kopf. Was dachte sich die
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