Der amerikanische Architekt
sieben – blieben beharrlich immer einen Schritt hinter ihr. Sie sah sie in Schaufensterscheiben gespiegelt: ihre grünen Stirnbänder, die Stöcke, die zwei von ihnen in den Händen hielten. Es waren gute Jungen, einige besuchten sogar ganz besondere Schulen, für die man eine Aufnahmeprüfung bestehen musste. Ob ihre Eltern wussten, dass sie für so etwas die Schule schwänzten? Sie bog um eine Ecke. Die Jungen taten es ihr nach. Selbst wenn sie den ganzen Weg nach Manhattan ginge, würden sie an ihr kleben bleiben. Sie wusste nicht mehr, wer sie gefangen hielt, wusste nur, dass das Gefängnis ausbruchsicher war. Schließlich ging sie zurück. Die Jungen blieben stehen und warteten, bis sie die Haustür aufgeschlossen hatte.
»Danke«, flüsterte sie, ohne sich umzudrehen oder sie anzusehen.
Mit gekonntem Schwung ließ Issam Malik die Vorabzüge der neuen Anzeigenkampagne über den Konferenztisch des MACC -Büros segeln. » Et voilà «, sagte er. »Die Dinger sind richtig gut geworden. Wir bringen die Anzeigen in sechzehn Zeitungen und sechs Zeitschriften – oder waren es sieben? Und wir stellen eine Pressemappe zusammen und veranstalten vielleicht sogar eine Pressekonferenz. Wir müssen es damit unbedingt in die Nachrichten schaffen. Wenn die über die Kampagne berichten, erzielen wir damit einen Werbeeffekt, der uns zehnmal soviel einbringt wie das, was wir für die Kampagne ausgegeben haben.«
»Können Sie sie auch in der Post unterbringen?«, fragte Laila. »Es ist zwar nicht fair, dass wir für unsere Reaktion auf deren Giftspritzen auch noch bezahlen müssen, aber es ist wichtig, dass wir auch diese Leser erreichen, nicht nur die der liberaleren Medien.«
»Sie meinen, es bringt nichts, vor Leuten zu predigen, die sowieso schon bekehrt sind?«, lachte Malik.
Mo, der sein eigenes Foto anstarrte, nahm ihr Gespräch nur noch als Hintergrundgeräusch wahr. Die ganzseitigen Anzeigen waren auf Karton in Zeitungs-, Zeitschriften- und Magazingröße aufgezogen worden und erinnerten ihn aus irgendeinem Grund an seine Eltern, die seine Einschulungsfotos (in allen nur denkbaren Größen) auf dem ganzen Esstisch ausgebreitet hatten. Auf dem Foto beugte sich Mo in einem perfekt sitzenden weißen Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln über einen Zeichentisch. Sein Gesichtsausdruck war ernst, als wolle er eine teure Uhr oder eine exklusive Kreditkarte anpreisen. Vor ihm lag ein weißer Bogen Papier, auf den er etwas zeichnete beziehungsweise vorgab, es zu tun. Hinter ihm war das Modell des neuen Hauptgebäudes einer Investmentbank zu sehen, das ROI entworfen hatte. Mo fand, es erwecke den Anschein, als wolle er das Lob für eine Gemeinschaftsarbeit einheimsen.
Das Foto war frühmorgens an einem Wochenende aufgenommen worden, zu einem Zeitpunkt also, an dem niemand sonst im Büro sein würde. Der künstlerische Direktor und der Fotograf hatten beide verlangt, dass Mo seine Brille abnahm, weil die Lichtspiegelungen ihm etwas Unheimliches verleihen würden. Gegen sein eigenes Bauchgefühl hatte Mo getan, was sie wollten, obwohl er sich ohne die Brille nicht nur blind, sondern auch nackt vorkam. Außerdem hatten die beiden darauf bestanden, dass er sich an den Zeichentisch setzte, obwohl er versucht hatte ihnen zu erklären, was für eine enorme Rolle die Computerunterstützung in der modernen Architektur spielte und dass er sich so nur den Spott aller CAD -Anhänger zuziehen würde, was umso schlimmer war, als er selbst dieses Programm, wenn auch unter Vorbehalt, oft benutzte. Aber sie hatten nicht auf ihn gehört: Sie wollten das Klischee oder, wie der künstlerische Direktor es ausdrückte, »den archetypischen Architekten«.
Das Unbehagen, das Mo an jenem Tag empfunden hatte, war nichts im Vergleich zu dem, das ihm jetzt zu schaffen machte. Die Überschrift über dem Foto, in Fettdruck, was Aufmerksamkeit erregen sollte, lautete: »Ein Architekt, kein Terrorist«. Kleiner hieß es darunter: »Muslime wie Mohammad Khan sind stolz, Amerikaner zu sein. Verdienen wir uns ihren Stolz.«
Ohne die Kampagne genauer zu erläutern, hatte Malik vage gesagt, sie solle Mo »menschlicher« erscheinen lassen. Genau das Gegenteil war der Fall: Er kam sich vor wie ein neues Produkt, das auf dem Markt eingeführt wurde, ein Produkt, das, wie er vermutete, für den MACC enormes Spendenpotenzial besaß. Aber dass man ihn zum Objekt dieser Kampagne machte, war nicht seine größte Sorge. Es ging ihm um den Slogan. Irgendwo hatte er
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