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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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entgegensetzen. Zumindest zeigt die MACC -Kampagne dich als Architekten, und das ist ein visuelles Bild, das den Leuten im Gedächtnis bleiben wird.«
    »Der Schaden der anderen Kampagnen ist nicht mehr rückgängig zu machen«, sagte Mo. »Dass der MACC mich in ein paar Zeitungen bringt, wird daran nichts ändern. Aber vor allem bin ich einfach nicht der Typ, der auf den Fotos zu sehen ist. Das bin nicht ich! Ich habe eine ganz bestimmte Art, Dinge zu tun – das ist mit ein Grund dafür, dass ich mich an der Ausschreibung für die Gedenkstätte beteiligt habe, statt große politische Worte zu machen. Und ich weiß, ich hätte mir das überlegen sollen, bevor ich mich zu der Kampagne bereit erklärt habe, aber wenn ich das Gesicht dieser MACC -Kampagne bin, sieht man mich nur noch als Muslim, und das, wo ich die ganze Zeit argumentiert habe, dass es nicht richtig ist, mich darüber zu definieren. Es sähe aus, als wolle ich alles gleichzeitig.«
    »Willst du das denn nicht?«, fragte sie, stand auf, kniete sich neben ihn und sah ihm in die Augen. »Schämst du dich?«
    Es war schwer, ihrem ernsten Blick zu begegnen. »Natürlich nicht«, sagte er. »Aber ich bin nicht gerade begeistert darüber, zu einem Statisten in einem Propagandakrieg gemacht zu werden.«
    »Was soll denn das heißen? Die Propaganda kommt doch von den Leuten, die dich zu einem Schreckgespenst machen wollen. Sie schaffen ein Klima, in dem gefährliche Dinge passieren können. Die Sprache ist dabei nur der erste Schritt. Sie sorgt dafür, dass die Stimmung sich verändert. Denk an Nazi-Deutschland. Die Juden hielten sich für Deutsche, bis sie es auf einmal nicht mehr waren. Hier heißt es bereits, wir seien weniger amerikanisch. Als nächstes werden sie sagen, dass man uns im Auge behalten muss, und ehe du dich versiehst, stecken sie uns in Internierungslager.«
    Mos Gedanken schweiften einen Moment ab, zu Fotos der Gärten in Manzanar, dem amerikanischen Internierungslager, in dem während des zweiten Weltkriegs über 100.000 japanisch-stämmige Amerikaner festgehalten worden waren. Die Insassen hatten Steine angeordnet, Teiche angelegt, sogar Äste und Baumstämme aus Beton hergestellt. Hätte er selbst auch diese Zähigkeit besessen? Er sah sich in einem von Stacheldraht eingezäunten Lager, wie er die Grenzen eines kleinen Gartens absteckte, seine Kanäle grub, Bäume pflanzte –
    »Mo!« Obwohl sie sich erst so kurz kannten, wusste Laila immer ganz genau, wann er sich in sein Traumterritorium, wie sie dazu sagte, zurückzog.
    »Ich finde, du übertreibst. Mir gefällt auch nicht, was diese Leute sagen, aber sie haben das Recht, es zu sagen. Es ist nicht fair, ihnen zu unterstellen, dass sie die Absicht haben, uns in Lager zu stecken.«
    »Nicht fair?« Sie stand auf und fing an, ein Rechteck abzumarschieren. Ihre Stiefel klapperten über die Bodendielen, wurden auf dem Teppich unhörbar und klapperten aufs Neue, als bewege sie sich durch einen Tunnel und komme dann wieder zum Vorschein. »Dein Hirn ist wie ein Kaleidoskop. Man braucht nur ein kleines bisschen dran zu drehen, und schon sieht alles ganz anders aus. Du bist so frustrierend rational, Mo. Wo ist deine Leidenschaftlichkeit?«
    »Die gehört dir«, sagte er zögernd. Sein Hals war wie zugeschnürt. Nur kleine, unzureichende Worte konnten sich hindurchzwängen.
    Sie sah ihn lange an, trug dann seine Kaffeepresse und ihre Teekanne zum Becken und fing an, sie auszuspülen, während sie redete. Sie wandte ihm dabei den Rücken zu, das Wasser lief, er musste sich anstrengen, um zu hören, was sie sagte. »Kurz nachdem meine Familie hierher kam, gab es diese Geiselnahme von Amerikanern im Iran. Meine Mutter sagte, wir sollten lügen, wenn wir gefragt wurden, wo wir herkamen. Trotzdem mussten wir die Schule wechseln, weil mein Bruder ständig angefeindet wurde. Ich war gerade erst acht geworden, aber ich verstand, dass Menschen, die mich nicht kannten, mich einfach nur deswegen hassten, weil ich aus einem bestimmten Land kam, und dass ich das nur verhindern konnte, indem ich mich für sie unsichtbar machte. Eine Zeitlang hörte ich auf zu essen. Ich dachte wirklich, auf diese Weise könnte ich bewirken, dass niemand mich mehr sehen konnte. Damit sie mich nicht verurteilen oder für etwas bestrafen konnten, auf das ich keinen Einfluss hatte.«
    Mo hatte sich Laila immer als das Mädchen vorgestellt, das auf dem Schulhof mit geballten Fäusten angestürmt kam, um andere Kinder vor

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