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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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irgendwelchen Rabauken zu retten. Nicht als ein Mädchen, das selbst schikaniert wurde und versuchte, sich unsichtbar zu machen. »Hör mit dem Abwasch auf«, sagte er mit leiser, drängender Stimme. »Das Thema ist zu wichtig.«
    Sie trocknete sich die Hände ab, kam aus der winzigen Kochnische und fing an, die kleinen goldenen Kreolen zu suchen, die sie am Abend auf den Nachttisch gelegt hatte. »Was seit den Anschlägen in diesem Land passiert, ist für mich also nicht so furchtbar neu«, fuhr sie fort. »Aber ich habe beschlossen, mich dieses Mal nicht unsichtbar zu machen, nicht zuzulassen, dass andere mich definieren. Ich werde nicht zulassen, dass sie Leute einsperren oder deportieren, bloß weil sie Muslime sind. In der Kanzlei, in der ich früher war, habe ich viel besser verdient. Aber meine Karriere war mir nicht so wichtig wie – die Kreolen haben meiner Großmutter gehört, ich hoffe, ich habe sie nicht verloren –«
    Mo hatte die Ohrringe gestern in ihr Schmuckkästchen gelegt. Er holte sie und gab sie ihr. Die Art, wie sie den Kopf erst auf die linke und dann auf die rechte Seite legte, um sie anzuziehen, die Art, wie sie die Haare von den Ohren wegschüttelte, erinnerte ihn an seine Mutter. »Aber in gewisser Weise war dieser Schritt doch gut für deine Karriere«, sagte er. »Vorher warst du nur eine Mitarbeiterin in irgendeiner Kanzlei. Jetzt ist dein Profil viel – prägnanter.«
    Sie warf ihm einen angewiderten Blick zu. »Ja, so prägnant, dass es Leute gibt, die mich als Verräterin bezeichnen. Du verstehst nicht, was ich meine, Mo.« Sie fing an, Papiere in ihre Tasche zu stopfen. »Ich war bereit, etwas aufzugeben, obwohl ich dachte, dass es mir schaden würde. Vielleicht wird die MACC -Kampagne deiner Karriere nicht gerade förderlich sein, aber andere Dinge sind wichtiger. Mit dieser Kampagne definierst du dich selbst. Du sagst damit, dass du nicht zulässt, dass man dich oder andere Muslime zum Zerrbild macht, ganz gleich, ob sie Ärzte oder Taxifahrer oder Buchprüfer sind.«
    »Eine Anwältin, keine Terroristin.« Sein Scherz brachte ihm nur ein Stirnrunzeln ein. »Tut mir leid, aber wie wäre es, wenn einer dieser Ärzte oder Taxifahrer die Kampagne machen würde?«
    »Du willst, dass jemand anderes tut, wovor du selbst Angst hast?«
    »Ich habe keine Angst.«
    »Dann mach die Kampagne. Mach sie als Amerikaner, weil dir nicht gefällt, was in deinem Land passiert.« Auf ihre Art war Laila leicht zu durchschauen. Mo konnte an ihrem Gesicht ablesen, wann ihre Gedanken eine neue Richtung einschlugen, bevor sie die Worte aussprach. »Ich will dich etwas fragen«, sagte sie. »Dein Bart – du hast angefangen, ihn wachsen zu lassen, als du im Ausland warst?«
    »Ja …«
    »Und gleich nach deiner Rückkehr hast du ein paar Wochen oder wie lange an deinem Entwurf für den Garten gearbeitet?«
    »So ungefähr. Aber ich verstehe nicht –«
    »Als du deinen Entwurf eingereicht hast, muss dein Bart also schon ziemlich dicht gewesen sein, ähnlich wie jetzt?«
    Er kannte ihre nächste Frage, bevor sie sie stellte. »Und das Foto, das du mitgeschickt hast? Mit Bart oder ohne?«
    Ein Augenblick des Schweigens. Ein Augenblick der Scham. In dem er überlegte, ob er sie anlügen sollte.
    »Ohne.« Er hätte behaupten können, er hätte kein neueres Foto zur Hand gehabt, aber sie hatte recht. Das war nicht der Grund gewesen.
    »Traurig«, war alles, was Laila dazu sagte. Mühelos hatte sie seinen Versuch entlarvt, ein ›ungefährlicher‹ Muslim zu sein, wenn es ihm weiterhalf. Nur dann mutig oder provokativ zu sein, wenn er glaubte, es sich leisten zu können, selbst wenn er sich in dieser Hinsicht manchmal irrte. »Als Nächstes wirst du dich für sie rasieren.«
    Sie setzte ihn zu sehr unter Druck, sein Geist rebellierte, schlug zurück. Vielleicht schlief sie nur mit ihm, damit er kooperierte. Vielleicht hatte sie sich das alles mit Issam Malik ausgeklügelt.
    »Mit wem warst du gestern Abend essen?«, fragte er.
    »Was?«
    »Nichts, tut mir leid.« Sein Misstrauen brach in sich zusammen, sein Herz verkrampfte sich. Als er Laila von sich stieß, erkannte er, was er für sie empfand.
    Sie schlüpfte in eine marineblaue Daunenjacke, wickelte sich einen weißen Seidenschal um den Hals.
    »Vielleicht wenn ich die Kampagne anders gestalten könnte«, bot er an.
    »Um was zu sagen?«
    »Könntest du bitte aufhören, dich anzuziehen?«, sagte er statt einer Antwort. »Wir müssen das erst zu Ende

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