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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Vorwurf angehört, so als halte Jack Worth ihr schon wieder einen Vortrag zur Verteidigung von Khan.
    »Nichts. Abgesehen davon, dass wir ständig zu hören bekommen, was die Gallaghers und ihresgleichen zu sagen haben. Während wir von Leuten wie dieser Frau noch nie etwas gehört haben.«
    »Sie da oben zu sehen, mit ihrem Kopftuch, nach all diesen barbarischen Angriffen auf Kopftuchträgerinnen, war wie eine Kunstperformance. Es war brillant.« Elliott, der Kritiker, gab einen kleinen, ekstatischen Seufzer von sich.
    »Performance vielleicht, aber keine Kunst.« Claire bedauerte ihre Worte, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte. »Wir müssen unbedingt herausfinden, wie wir die unterschiedlichen Meinungen aller Angehörigen auf einen gemeinsamen Nenner bringen können.«
    »Unterschiedliche Meinungen? Das klingt, als gäbe es kein Richtig und kein Falsch, Claire, sondern nur unterschiedliche Gefühle«, sagte Ariana. Ihr Blick sezierte sie bei lebendigem Leib. »Die ganze Zeit waren Sie unser Gewissen. Jetzt scheint Asma Anwar diese Rolle übernommen zu haben. Ich schlage vor, dass wir noch heute Abend erklären, dass wir bei unserer Entscheidung für Khan bleiben.«
    Claire hatte das Gefühl, sich mühsam zu einer ersehnten Aussichtsplattform hinaufgekämpft zu haben, nur um zu merken, dass sie nicht schwindelfrei war. Die Unterstützung der Jury für Khan, für die sie sich so eingesetzt hatte, machte ihr plötzlich Angst. Sie versuchte, Paul mit einem durchdringenden Blick zu verstehen zu geben, dass er die Gruppe daran erinnern musste, dass sie heute Abend keine Entscheidung treffen, sondern nur über die Anhörung sprechen und darüber diskutieren sollten, wie sie mit den Redebeiträgen verfahren wollten. Aber Paul, der weniger wie ein Vorsitzender denn wie ein Barkeeper aussah, der einer interessanten Thekenunterhaltung zuhört, blieb stumm.
    »Sie haben den Garten doch nicht einmal gemocht«, sagte Claire zu Ariana.
    »Es geht hier nicht um Mögen oder Nicht-Mögen, sondern um das Schicksal der Kunst in einer Demokratie«, antwortete Ariana. »Wir alle haben gesehen – also gut, nicht wirklich gesehen, weil es eine Nacht-und-Nebel-Aktion war –, wie Serras Tilted Arc auseinandergeschweißt und von der Federal Plaza weggekarrt wurde, weil ›die Öffentlichkeit‹ sich darüber ereifert hatte. Jetzt mag diese Öffentlichkeit Khans Religion nicht, oder was sein Entwurf bedeuten könnte oder auch nicht. Wenn man der Öffentlichkeit diese Art von Macht gibt, gibt man praktisch alles, was hässlich ist, oder eine Herausforderung, oder schwierig, oder von einem Mitglied einer Gruppierung geschaffen wurde, die gerade nicht ›in‹ ist, mehr oder weniger zum Abschuss frei.«
    »Und daher ist alles schützenswert, wogegen die Öffentlichkeit sich ausspricht?«, fragte Claire. Niemand antwortete, als sei die Frage unter ihrer aller Würde. »Es geht hier nicht um ein Kunstwerk, sondern um eine Gedenkstätte. Es ist falsch, jetzt darüber abzustimmen. Wenn wir das tun, verlieren wir jede Handhabe, Khan dazu zu bringen, den Garten zu erklären oder zu verändern.«
    »Khan ist nicht verpflichtet, irgendetwas zu erklären. Und ich werde ihn nicht auffordern, nur wegen irgendwelcher Spekulationen irgendetwas zu verändern.«
    »Es sind keine Spekulationen. Er hat heute gesagt , dass es ein islamischer Garten ist.«
    »Nein, er hat gesagt, dass es islamische Einflüsse gibt.«
    »Hat er nicht sogar prä-islamisch gesagt?«, warf Maria ein.
    »Ist das so ähnlich wie prä-kolumbianisch?«, fragte der Kritiker.
    Aufgebracht wandte sich Claire an Maria. »Erinnern Sie sich noch daran, wie wir über das Nichts gesprochen haben und ich zu Ihnen sagte, die Familienangehörigen würden es nicht gern aufsuchen wollen? Jetzt sagen sie mir genau dasselbe über den Garten. Was also soll ich tun?«
    »Ihnen sagen, dass sie sich dran gewöhnen sollen«, antwortete Maria so barsch, dass Claire richtiggehend schockiert war. Von der unangezündeten Zigarette, mit der Maria herumspielte, rieselten Tabakkrümel auf den Tisch. »Ehrlich gesagt habe ich die Familien allmählich satt. Wenn man uns hören könnte, würde man nicht meinen, dass die Anschläge eine ganze Nation bis ins Mark erschüttert haben.« Ein nervöses Halblächeln huschte über die Gesichter mehrerer Juroren. Die Worte hatten ein Tabu gebrochen, hatten Claire den Mantel der Unangreifbarkeit abgerissen. In einem Comic würde die Macht jetzt aus ihr herausrieseln wie

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