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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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kein Land verändern, das inzwischen 140 Millionen Einwohner zählte, aber wenn jedes der Mädchen eine neue Schule gründete, und jede Schülerin dieser Schule auch …
    Alle Macht lag in den Händen Gottes. Das war es, was der Imam ihr nach Inams Tod hatte sagen wollen. Dass sie im Leben keinen Anspruch auf irgendetwas hatte, nicht auf einen Platz, nicht auf eine Position, nicht auf einen Menschen. Selbst ihr eigenes Kind, das sie unter ihrem Herzen getragen hatte, war seine Schöpfung und konnte nur mit seinem Segen ein behütetes Leben führen. Er konnte alles nehmen, was er gegeben hatte. Nur er selbst konnte einem nicht genommen werden. Er würde sie nicht verlassen, wenn sie ihn nicht verließ. Darauf vertraute sie. Der Garten in New York, alles, von dem sie fortgerissen wurde, war nichts im Vergleich zu dem, was sie erwartete.
    Sie zog ihren Dupatta, den pagageiengrünen, ein Stück von ihrem verschwitzten Hals weg und ging, Abdul auf dem Arm, hoch erhobenen Hauptes die Treppe von der Wohnung der Mahmouds hinunter. Nasruddin und Mr Mahmoud folgten, beladen mit ihren Taschen und Kisten, dahinter kam Laila Fathi mit Asmas Reisedokumenten, dann Mrs Mahmoud und Mrs Ahmed, die sich weinend aneinanderklammerten.
    Sobald sie aus dem Gebäude trat, wurde sie von zahlreichen Menschen umringt. Frauen versuchten, sie zu berühren, was Nasruddin an Pilger am Grab von Heiligen erinnerte. Was sie sich von der Berührung erhofften, konnte er nicht sagen: Asmas Glück war nichts, worauf man neidisch sein sollte – schließlich hatte sie ihren Mann verloren, ihr Zuhause –, und doch verstand er die Frauen. Wie es aussah, waren sämtliche bangladeschstämmigen Bewohner von Kensington und auch viele von außerhalb gekommen, um bei Asmas Weggang dabei zu sein, aus Mitgefühl, aus Schadenfreude, oder einfach nur, um diese Frau, eine der ihren, die zu einer Berühmtheit geworden war, mit eigenen Augen zu sehen. Sie füllten die Bürgersteige und die Straße, hingen aus Fenstern, klammerten sich an Feuerleitern, spähten von Dächern herab. Ohne das Gemurmel verstehen zu können, wusste Nasruddin, was sie sagten. Sie hatten es gesagt, seit die Versuche, Asma auszuweisen, begonnen hatten. Bhabiakoriokaj, koriabhabiona . »Denk, bevor du handelst, handele nicht, ohne zu denken.«
    Ihr selbst gegenüber waren alle freundlich, voller Mitgefühl. Ihre Versuche zu packen waren durch einen schier endlosen Besucherstrom verkompliziert worden. Mrs Mahmoud hatte die Auswahl unter ihnen getroffen, so wie sie aus einem Berg Burro-Bananen ihre Auswahl treffen würde. Sie entschied, wer Zugang zum inneren Heiligtum (Asmas Zimmer) erhielt, wer immerhin schon mal zur Wohnung durfte und wer auf der Treppe warten musste. Die Besucher brachten Süßigkeiten und kleine Geschenke und Spielsachen für Abdul, aber hauptsächlich kamen sie, um das Neueste über ihre Einkäufe und ihre Fortschritte beim Packen zurück auf die Straße zu tragen.
    Außer Landsleuten war auch Polizei anwesend, die für Ordnung sorgen sollte, und natürlich Reporter und Nachrichtenteams – die Satellitenschüsseln auf ihren Transportern wie gigantische Ohren, die auf den Himmel gerichtet waren. Die Post , der es nicht genügt hatte, Asmas Illegalität publik zu machen, hatte es irgendwie auch geschafft, ihre Reisedaten herauszufinden, und immer noch triumphierend, weil es ihr gelungen war, Asma aus dem Land zu vertreiben, hatte die Zeitung am heutigen Morgen der ganzen Welt mitgeteilt, wann genau sie abreisen würde.
    Bei Asmas Auftauchen stürmten die Pressevertreter vor, drängten sich durch die anderen, um möglichst nahe an sie heranzukommen. Nasruddin, der sich sowieso darüber ärgerte, dass die Reporter anscheinend das Gefühl hatten, sich alles erlauben zu können, und darüber, dass seine Landsleute sich ihnen gegenüber so gefügig verhielten, war erst recht empört, als er Alyssa Spier zwischen ihnen entdeckte, das Notizbuch gezückt, um die Demütigung festzuhalten, deren Auslöser sie war. Er versuchte, sie wegzuscheuchen, war aber zu sehr mit Asmas Sachen beladen. Die Reporter umringten Asma, schrien ihr Fragen zu, bedrängten sie mit ihren Mikrofonen und Kameras, verschluckten sie.
    Nasruddin verlor sie aus den Augen. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Menge, die so entspannt wirkte, als begehe sie einen der unwichtigeren Feiertage. Zu Ehren der Abreise des kleinen Abdul verteilte Abdullahs Süßigkeitenladen seinen Lieblingsjoghurt an alle

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