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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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gewesen, sie wäre nicht derart an die Öffentlichkeit gezerrt worden. Woher kam diese Feigheit, oder diese Angst, die sie davon abhielt, für ihre Überzeugung einzutreten? In Fragen eingehüllt, in sich selbst zusammengekuschelt, schlief sie im Sessel ein.
    Das Telefon weckte sie und die Kinder. Sie ging nicht ran. Es klingelte, klingelte noch einmal, klingelte immer wieder. »Wer ruft denn so oft an?«, fragte Wiliam, der vor Kurzem angefangen hatte, selbst ans Telefon zu gehen.
    »Geh bloß nicht ran, Liebling – es ist kaputt. Die Telefongesellschaft versucht, es zu reparieren.«
    Als die Kinder in Schule und Kindergarten waren, beantragte sie eine Geheimnummer. Am späten Vormittag hörte sie ein Auto über die Auffahrt kommen. Ein dunkelgrüner Pontiac Grand Am hielt vor dem Haus an, Sean Gallagher und vier andere Männer stiegen aus. Claire versteckte sich mit dem Kindermädchen im Schlafzimmer. Es klingelte an der Tür, klingelte noch einmal, dann Stille.
    Hinter dem Vorhang beobachtete Claire mit hämmerndem Herzen, wie Sean auf dem Rasen eine Art Acht abmarschierte, wobei er immer wieder zum Haus hinaufsah. Sie sah, wie er sich bückte und erst einen, dann noch einen Stein von dem Steinmännchen unter der Blutbuche nahm. Sie drehte den Kopf weg, wappnete sich für das Geräusch von splitterndem Glas. Es kam nicht. Unten schlich Sean inzwischen um ihren Mercedes herum. Einen Moment lang dachte sie, er würde ihn anpinkeln. Einer der anderen Männer sagte etwas zu ihm, sie schienen sich zu streiten. Dann stiegen alle fünf türenschlagend in den Pontiac und fuhren davon. Claire wartete sicherheitshalber noch eine Weile ab, bevor sie nach draußen ging, um das Steinmännchen wieder aufzuschichten. Aber die Steine waren verschwunden.

11
    C laire Burwell reichte Mo die Hand. Es folgte eine kurze, aber merkliche Pause, die sie erröten ließ. »Haben Sie vielen Dank für Ihren Garten – er ist wunderschön«, sagte sie dann.
    Auch sie war wunderschön, allerdings hatte ihre Schönheit etwas allzu Offensichtliches, ähnlich wie das neo-georgianische Stadthaus, in dem sie standen. Makellos, vollkommen, den Proportionen nach sogar klassisch, bis ins kleinste Detail perfekt, aber ohne jenen Anflug des Unerwarteten, der ihm vor Neid oder Ehrfurcht den Atem verschlagen hätte.
    Mo war sich sicher, dass die Pause, nur einen Herzschlag lang, Ausdruck ihrer Erwartung gewesen war. Sie hatte darauf gewartet, dass er sich für ihre Unterstützung bedankte. Er hatte die Kolumne in der New York Post natürlich gelesen, hatte gelesen, was dort über sie gesagt wurde, hatte gesehen, wie Angehörige sich in den Nachrichten über sie ereiferten. Aber ihr zu danken hätte bedeutet, dass sie etwas Besonderes getan hatte, und er würde ihr nicht dazu gratulieren, dass sie sich einfach nur korrekt verhalten hatte. Erst recht nicht, wenn sie es so offensichtlich erwartete.
    Sie standen in Paul Rubins Wohnzimmer mit seiner bemüht aristokratischen Einrichtung, die Mo absolut grauenhaft fand. Hier sollte offiziell bekanntgegeben werden, dass die Entscheidung der Jury für ihn ausgefallen war. Die Situation kam einem Antiklimax gleich, der Ort und das ganze Ambiente hatten etwas Eigenartiges, fast hermetisch Abgeschlossenes. Es gab keine Presse und, von Claire abgesehen, keine Angehörigen der Toten, um die es letztendlich doch ging. Nichts wies auf die historische Bedeutsamkeit, die Monumentalität des Auftrags hin. Im Grunde war das Ganze nichts weiter als ein Treffen zwischen Mo und den Mitgliedern der Jury, damit ein Gruppenfoto aufgenommen werden konnte, das zusammen mit Erläuterungen zu seinem Entwurf in einer Hochglanzmappe an die Presse verteilt werden sollte. Jeder andere Bewerber wäre der Öffentlichkeit mit bedeutend mehr Trara vorgestellt worden, daran hatte Mo keinen Zweifel. Sicher, die Juroren hatten ihn begrüßt und die meisten von ihnen hatten ihn auch beglückwünscht, dann aber hatten sie sich zu kleinen Grüppchen zusammengeschart und ihn Claire überlassen.
    In einem der Grüppchen, zu dem auch Paul gehörte, schien sich eine Auseinandersetzung anzubahnen. Mo versuchte zu lauschen, während er gleichzeitig so tat, als höre er Claire zu.
    »Was die Gouverneurin gesagt hat, ist sehr irritierend, Paul«, sagte Leo, der Universitätspräsident im Ruhestand.
    »Woher wussten Sie, dass eine Gedenkstätte, die nicht nur traurig und trostlos ist, genau das Richtige für uns ist? Dass sie genau zu meinem Mann

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